Rezension zu »Ruhe sanft am Neusiedler See« von Lukas Pellmann

»Dieser See hat Charakter. Und wenn du dir die Mühe machst, ein bisserl auf ihn zugehst, dann, ja, dann bist du deppert. Dann hat er dich mit einer Wucht, die dich nie wieder loslässt.«

Es sollte ein entspannter Abend werden auf den die Taxiprucknerin Niko und Bella da widerwillig mitgeschleppt hat: Eine Krimilesung mit Weinverkostung, an der Niko tatsächlich sogar ein wenig Gefallen zu finden schien. Wäre da nicht das Leben, das immer wieder für Chaos sorgt, selbst in den beschaulichen Örtchen rund um den Neusiedler See. Oder vielleicht auch gerade da. So findet sich Niko am Ende des Abends also unerwartet in einem Erbschaftsstreit wieder. An sich keine hochkomplexe Sache, doch je tiefer er in die Familiengeschichte eintaucht, desto offensichtlicher wird, dass das Weinlogistik-Imperium der besagten, sich streitenden Familie auf wackeligen Beinen steht – nicht zuletzt wegen eines mehr als fragwürdigen Testaments. Als er dann noch eine mumifizierte Leiche in einem der Weinfässer im familiären Weinkeller findet, warten erneut Ermittlungen auf Niko und Bella, die allerhand Geheimnisse, Lügen und Intrigen mit sich ziehen. Wenn schon nicht als Ort der Ruhe, dann erfüllt der Neusiedler See immerhin noch als Fluchtort seinen Zweck – könnte man jetzt sagen und würde ordentlich falsch liegen. Denn kein Geringerer als Todfeind und Fluchtgrund Vito Violino hat sich inzwischen ebenfalls am Neusiedler See niedergelassen und bringt Nikos Leben zusätzlich ordentlich durcheinander. Kein Wunder also, dass Nikos Vergangenheit ihm während der Ermittlungen keine Ruhe lässt und sich zunehmend mehr Platz in seinen Gedanken einnimmt.

Was ist es nur, dass Kriminalromanautor*innen allzu gerne dazu verleitet, sich selbst in ihre Bücher hineinzuschreiben? Im Fall von »Ruhe sanft am Neusiedler See« ist es ein Augenzwinkern, ein Sich-selbst-nicht-zu-ernst-nehmen, das diesen Regionalkrimi von Beginn an sympathisch macht. Nach den zwei unterhaltsamen, lesenswerten Vorgängerbänden »Tod am Neusiedler See« und »Rache am Neusiedler See« habe ich mich auf das Lesen von Band drei und auf ein Wiedersehen mit Niko, der Taxiprucknerin und – ja, ich geb’s zu: vor allem – Hund*in Bella gefreut. Dass ich dieses Mal so viel Spaß beim Lesen haben werde, damit habe ich allerdings nicht gerechnet. »Ruhe sanft am Neusiedler See« ist mein (bisher) liebster Teil der Reihe, weil es sich angefühlt hat, als wäre Niko inzwischen richtig am Neusiedler See und Lukas Pellmann inzwischen komplett in seiner Reihe angekommen. Dieses ganze Buch nimmt sich selbst nicht zu ernst, strotzt dank Niko vor Witz und – Achtung: Wortkreation der Buchbloggerin – Situationssarkasmus. Manchmal darf und soll lesen auch einfach nur Spaß machen und gut unterhalten. Dieses Buch tut genau das – so unaufgeregt, bodenständig und mitreißend, dass die Kriminalhandlung beim Lesen und auch in der Handlung fast in den Hintergrund gerät. Es ist doch eigentlich ganz egal, wer nun das Familienimperium erbt oder wer die Leiche im Weinfass ist. Viel interessanter ist doch Nikos Meinung zu freistehenden Badewannen, seine Bindungsängste, seine unverarbeiteten Traumata und seine herzerwärmende Beziehung zu Bella. Mit Betonung auf »fast«. Denn genau hier liegt die große Kunst des Romans: Sie ist da, diese Handlung. Sie schreitet voran. Trotz Witz und Leichtigkeit arbeitet sie kontinuierlich auf einen fulminanten Showdown hin, der seine Leser*innen atemlos, frustriert und schockiert zurücklässt. Kein typisches, kein klassisches Ende eines Regionalkrimis. Aber eins, das mir vielleicht genau deswegen so gut gefällt. Und lasst euch nicht täuschen: Trotz vordergründigem Humor erwartet euch in »Ruhe sanft am Neusiedler See« emotionaler Tiefgang, Geister der Vergangenheit und ein leises Gespür für Gefühle.

Mein dritter literarischer Besuch an Niko Laudas Version des Neusiedler Sees war ein absolutes Lesevergnügen!




..................................................................

Daten zum Buch
Titel: Ruhe sanft am Neusiedler See
Autor*in: Lukas Pellmann
Sprache: Deutsch
Verlag: Emons
Taschenbuch | 304 Seiten | ISBN: 978-3-7408-2226-2


Kommentare