Rezension zu »Tod am Neusiedler See« von Lukas Pellmann

Nikolaus Lauda ist auf der Flucht. Ja, ihr habt richtig gehört. Und ebenfalls ja, wer wie ich mit einem Formel-1 liebenden Vater groß geworden ist, der hat sofort und unweigerlich eine bestimmte Person im Kopf. Schlagt sie euch aus dem Kopf, diese Person. Denn dieser Nikolaus Lauda hat damit so gar nichts zu tun und verbittet sich auch jegliche Vergleiche oder Spitznamen, die die Verwechslungsgefahr noch steigern könnten. Die nächstliegende Frage wäre wahrscheinlich: Warum ist er auf der Flucht? Nun, das ist eine etwas kompliziertere Geschichte: Alles beginnt eigentlich damit, dass es sich der aus Österreich stammende und seit sieben Jahren im Ruhrgebiet lebende, ehemalige Polizist verscherzt hat mit einem dort ansässigen Mafiaclan. Beruht übrigens auf Gegenseitigkeit, aber das würde hier jetzt zu weit führen. Lauda sieht nur eine Option: Untertauchen, bis Gras über die Sache gewachsen ist oder er sich zumindest einen Plan zurechtlegen kann. Sein Weg führt in nach Rust am Neusiedler See. Der Ort, aus dem seine Frau stammt und den er noch nie besucht hat. Mitten im November ist das sonst touristisch recht lebhafte Örtchen nur das: ein Örtchen. Den Ortsansässigen fällt der Fremde sofort auf und bald ist seine Anwesenheit in aller Munde. Denn leider entpuppt sich Rust nicht als der erhoffte Zufluchts- und Rückzugsort, sondern als ein weiteres Problem auf Laudas Liste: Am Morgen nach seiner Ankunft wird die Leiche einer ermordeten Lokaljournalistin gefunden. Und für die örtliche Polizei steht fest: Das kann kein Zufall sein, Lauda muss in den Mord verwickelt sein. Um seine Unschuld zu beweisen und seine Deckung zu wahren, sieht Lauda keine andere Möglichkeit, als die alten Polizistenskills wieder auszupacken und selbst in dem Fall zu ermitteln. Seine Ermittlungen, bei denen er tatkräftig von der ihm zugelaufenen Hundedame Bella unterstützt wird, fördern so manch interessanten Einblick in die Geheimnisse und die Vergangenheit der Ruster Bewohner*innen zu Tage. Doch die Zeit arbeitet gegen ihn: Je länger die Ermittlungen dauern, desto höher die Chance, dass die Mafia ihn findet. 

»Tod am Neusiedler See« bietet seinen Lesenden so einiges: Angefangen mit einer düsteren, herbstlichen Kulisse rund um den Neusiedler See, den ich zwar noch nie live gesehen habe, mir die wunderbaren Landschaftsbeschreibungen ein schönes Bild gezeichnet haben. Ein sympathischer Protagonist, den man durch seine ganz eigene Art ins Herz schließt. Und Bella nicht zu vergessen, seine wunderbare Begleiterin, die für mich definitiv die stille, fellige Heldin dieser Geschichte ist. Ja, ich hab mich vielleicht etwas in einen fiktiven Hund und die wachsende Beziehung zwischen beiden verliebt. Passiert, nicht zum ersten und sicher auch nicht zum letzten Mal, ich habe einfach eine Schwäche für »Mensch findet Hund und beide zueinander«-Geschichten. Ich möchte hier beispielsweise an das erst neulich besprochene Cozy-Crime »Ein Duo für alle Felle« erinnern. Aber zurück zu »Tod am Neusiedler See«: Neben Lauda und Bella gibt's wirklich eine Menge an mehr oder weniger wichtigen Charakteren. Alle sind auf ihre Weise so speziell, wie ich mir das von einem Krimi wünsche, der in einem kleinen, eingeschworenen Örtchen spielt, in der jede*r jede*n kennt, das ist immer ein Garant für Probleme jeglicher Art und bietet so viel Potenzial für Lokalkolorit. Keine Sorge, das kommt in diesem Krimi wirklich nicht zu kurz. So musste ich schmunzeln und lachen dank Alfred, mit eine der strangesten Figuren, die mir bisher begegnet ist. Was die Mordermittlungen angeht waren die Wendungen für mich in einer Art Flow, es passte einfach, fügte sich zusammen und war doch bis zuletzt unvorhersehbar. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt beim Lesen gefragt habe, wer der*die Mörder*in ist, ich hab mich einfach überraschen lassen und bin eingetaucht in diese kleine Welt. Die über den Verlauf der Handlung immer mal wieder verteilten Tagebucheinträge einer namenlos bleibenden Frau aus den 1990er Jahren wiederum haben meine Neugier geweckt, ich wollte einfach wissen, was es damit auf sich hat. Auch das: Am Ende wirklich stimmig. Aber. Ja, jetzt kommt es: »Tod am Neusiedler See« hat mich nicht nur unterhalten und mich erheitert, sondern auch berührt. Es passiert selten, dass mir bei einem Krimi die Tränen kommen. Hier ist es mir passiert – zu meiner Verteidigung sei nochmal darauf hingewiesen, dass ich eine wirkliche, ernstzunehmende Schwäche für Hunde habe. Wenn ich etwas ändern könnte, dann wäre es das Ende. Versteht mich nicht falsch, es ist stimmig, ich denke, es musste so kommen, so ist es eben, das Leben. Aber man darf sich ja auch was wünschen. Ich bin gespannt auf den nächsten Band, ich hege ja doch noch die ein oder andere Hoffnung (stellt sich raus, dass ich trotz allem an die Menschen glaube). 

Was soll ich sagen? Ich habe die Charaktere und den Ort einfach lieb gewonnen. Witz, Humor und Stimmung haben komplett meinen Geschmack getroffen und mich von Anfang an ins Buch versinken lassen. Dieser Krimi war für mich nicht nur ein Krimi, sondern mehr. Eine Geschichte über Freundschaft, Familie und Zusammenhalt. Über Schmerz, Verlust und Trauer. Über Verdrängung und Bewältigung, über das Weglaufen und das Ankommen. »Tod am Neusiedler See« ist nicht nur ein guter Krimi, sondern einfach ein wirkliches gutes Buch. Lest es!




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Daten zum Buch
Titel: Tod am Neusiedler See
Autor*in: Lukas Pellmann
Sprache: Deutsch
Verlag: Emons
Taschenbuch | 304 Seiten | ISBN: 978-3-7408-1523-3

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