Rezension zu »Zusammenkunft« von Natasha Brown

 »Ich bin alles, was man mir befohlen hat zu werden.«

Die namenlose Protagonistin hat ihn geschafft, den Aufstieg nach ganz oben. Oxbridge-Ausbildung, Finanzwelt, Beförderung, ein weißer Freund mit altem, belasteten Geld – und das als farbige Frau. Nun lebt sie ihn, den Traum der Generationen vor ihr, lebt an der Spitze, ohne Geldsorgen. Doch zu welchem Preis? Völlige Verausgabung, seit Jahrzehnten. Völlige Anpassung, still sein, verschwinden. Unentdeckt bleiben – als Frau und als Farbige. Und trotzdem Beleidigungen, Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. Manchmal klein, manchmal groß. Doch egal wie klein, der Schmerz sitzt tief, reißt Wunden wieder auf, die niemals verheilen können, niemals verheilen dürfen. Wie lebst du in einem Land, das bereitwillig alles nimmt, das du ihm gibst, alles von dir und den deinen vor dir verlangt und nichts gibt, wegnimmt, verachtet? Wie findest du Frieden mit deiner Heimat, die dich geschichtlich und auch heute nicht will, nicht wirklich annimmt, nicht wirklich anerkennt? Wie findest du einen Platz in einer Beziehung, in der der Partner und seine Familie Teil des Problems sind, stammt ihr Familienerbe, durch das keiner von ihnen auch nur einen Tag arbeiten musste, während du dich abrackerst für etwas Besseres, doch aus dem Leid deiner Vorfahren? Was machst du, wenn das Leben dir einen Ausweg bietet? Nimmst du ihn an, egal wie hoch der Preis ist? Oder lebst du weiter in dieser Welt, die dich nur solange duldet, solange du bereit bist, aufzugeben wer du bist? 

Was soll ich sagen? Zusammenkunft geht unter die Haut. In seiner ganz eigenen, besonderen Sprache zieht dieser Roman einen in seinen Bann, bewegt, verletzt, macht wütend und traurig. Der Schmerz ist spürbar zwischen den Zeilen. Aufwühlend, ungeschönt, mitreißend erzählt dieser schmale Roman die Geschichte einer namenlosen farbigen Frau, die für so viele steht. Er ist ein Fingerzeig, ein Bohren in der Wunde des britischen Empires, die niemals verheilen wird, ob man nun die Augen davor verschließt oder nicht. Sie ist ein Mahnmal der Ungerechtigkeit, des Schmerzes, der Ausbeutung der farbigen Bevölkerung von der Sklaverei bis heute. Es ist eine Erinnerung an weiße Privilegien. Bedrückend fallen mir die Parallelen zu Gayl Jones' Corregidora auf, dieser generationsübergreifende Zwang und Zweck der Existenz, nach oben zu kommen bzw. Generationen zu schaffen; sich zu erinnern; diese Last auf den Schultern von so vielen. Wer bist du, wenn dein ganzes Leben, deine ganze Identität von einem Land definiert wird, zu dem du dich aufgrund deiner und seiner Geschichte nie ganz zugehörig fühlen kannst und darfst? Zusammenkunft ist besonders, ist wichtig. Ebenso wie Corregidora lege ich euch ans Herz, es zu lesen!




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Daten zum Buch
Titel: Zusammenkunft
Autor*in: Natasha Brown
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Jackie Thomae
Verlag: Suhrkamp
Hardcover | 113 Seiten | ISBN: 978-3-518-43046-0

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