Rezension zu »Das elfte Manuskript« von Anne Holt

In Oslo bricht die Pandemie aus und niemand weiß wirklich, was auf Norwegen und die Welt in nächster Zeit zukommen wird. Während es ungewohnt still wird in Oslo, die Menschen Angst haben, sich mit Homeoffice anzufreunden versuchen und über die Sinnhaftigkeit von Masken diskutieren, erwacht die ehemalige Kommissarin Hanne Wilhelsem zu neuem Leben. Schon lange, seit ihrem Unfall, lebt sie zurückgezogen und verlässt kaum ihr Haus, jetzt – inmitten einer sich bahnbrechenden Pandemie – ist es genau diese Stille und Menschenleere der Stadt, die sie dazu bewegt, das Haus wieder zu verlassen und in ihrem Rollstuhl auf nächtliche Streifzüge zu gehen. Zur selben Zeit steht ihr einstiger Schützling und Kommissar Henrik Holme vor einer ermittlungstechnischen Herausforderung: In einem Kofferraum ist die entstellte Leiche einer Frau aufgetaucht – ihr Gesicht fehlt, DNA und Fingerabdrücke liefern keine Treffer. Keine Chance also, die Tote zu identifizieren. Mysteriös ist auch, dass die Autopsie ergibt, dass die Frau ihr Leben lang ohne Zugang zu medizinischer Versorgung und fernab der Zivilisation gelebt haben muss. Ein Ding der Unmöglichkeit im Norwegen des 21. Jahrhunderts … oder? Henrik ermittelt auf eigene Faust, denn seine Kolleg*innen interessieren sich nicht für Fall, und wendet sich in seiner Hilflosigkeit bald an Hanne. Doch auch Hanne zeigt wenig Interesse an der unbekannten Toten. Sie hat einen Kriminalroman geschrieben, der bei einem renommierten norwegischen Verlag erscheinen soll. Doch in eben jenem Verlag herrscht gerade Chaos: Das elfte Manuskript der Bestseller-Autorin Kate Lowe, das exzentrische Aushängeschild des Verlags, ist spurlos verschwunden. Eine Kopie existiert nicht. Eine Ausnahmesituation auch für die ehemalige Pastorin und Neu-Lektorin Ebba, die Lowe von ihrer Vorgängerin übernommen hat. In ihrer Not wendet sich auch Ebba an Hanne, die sie ebenfalls als Lektorin betreuen soll. Ein spurlos verschwundenes Manuskript und eine Frauenleiche ohne jegliche Lebensspuren halten die Drei auf Trab.

Ein Kriminalroman, in dessen Zentrum die Verlagswelt und ein verschwundenes Manuskript stehen? Es war klar, dass ich dieses Buch lesen muss! Aber manchmal passt ein Buch nicht zu mir, egal wie vielversprechend es im Vorfeld klingt. Im Fall von »Das elfte Manuskript« trifft dies leider zu. Ich wollte es so sehr mögen, aber ich habe einfach keinen Zugang gefunden. Wäre es kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich den Roman mit Sicherheit abgebrochen, aber ich bin drangeblieben, denn aufgeben wollte ich nicht einfach und zumindest wollte ich das Buch in meiner Besprechung in seiner Gänze bewerten können. Ich kam einfach nicht rein in diese Geschichte, bis zum Ende nicht. Und ich weiß, dass Kriminalromane mit Spannung spielen dürfen und sollen und dass nicht jeder Krimi ein aufregender, fesselnder, den Puls beschleunigender Pageturner ist (das wäre ja dann wiederum auch langweilig), aber zumindest ein paar kleine Spannungsmomente hätte ich mir doch gewünscht. Stattdessen habe ich stellenweise wirklich damit kämpfen müssen, dranzubleiben, das Buch hatte Längen und war für mich teilweise einfach zäh. Ich weiß nicht, ob es an der Übersetzung liegt oder ob norwegische Spannungsliteratur und ich einfach nicht zusammenpassen, aber ich habe mich leider enorm am Schreibstil gestört: Sätze, die sich nicht richtig anfühlten, Worte, die – zumindest im Deutschen – wirklich nicht Teil von Alltagssprache sind, viele Wiederholungen und ein für mich sehr fragwürdiger, unangebrachter Blick auf den Körper der ermordeten Frau … die wörtliche Rede wirkte auf mich oft gestelzt, unpassend und unglaubwürdig und auch die Erzählart hat bei mir leider keinen Flow erzeugen können. Neben dem Schreibstil (oder der Übersetzung, das kann ich wie gesagt leider nicht beurteilen), hatte ich auch mit den Figuren meine Schwierigkeiten, insbesondere mit Hanne und Henrik. Vielleicht fehlte mir hier doch einfach das Wissen aus den vorherigen Bänden, denn die Beziehung zwischen Hanne und Henrik hat sich mir nicht wirklich erschlossen und fühlte sich für mich stellenweise toxisch, auf jeden Fall aber oft ungesund an. Hier muss ich sagen, dass ich sowohl Hanne als auch Henrik beide sehr unsympathisch fand. Und eigentlich habe ich nichts gegen unsympathische Figuren, oft mag ich sogar genau das, aber bei »Das elfte Manuskript« war das anders. Hanne habe ich nicht zum Greifen bekommen, sie ist unnahbar, egozentrisch, launisch, von oben herab. Henrik wiederum ist unsicher, unselbstständig, weinerlich, zu unterwürfig und gleichzeitig auf fast unangenehme Art auf Frauen fixiert. Dass in dem Buch eigentlich niemand wirklich ermitteln will und auch Hannes Ermittlungseifer und -künste trotz ihrer immer wieder erwähnten beeindruckenden Karriere eher unscheinbar blieben, hat leider sein Übriges für meine Wahrnehmung der beiden getan. Was ich wiederum mochte und was das Buch dann doch ein wenig für mich gerettet hat, waren die Abschnitte, die aus Ebbas Sicht geschrieben waren. Auch Ebba ist ein Charakter mit Schwächen, aber zu ihr hat man Zugang bekommen, sie wurde beim Lesen ein Mensch, dessen Entwicklung mich interessiert hat. Knapp 500 Seiten später weiß ich: So vielversprechend es auch klang und so sehr ich mir Mühe gegeben habe, es zu mögen, »Das elfte Manuskript« war leider nichts für mich.




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Daten zum Buch
Titel: Das elfte Manuskript
Autor*in: Anne Holt
Sprache: Deutsch
Aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs
Verlag: Atrium Verlag
Hardcover | 480 Seiten | ISBN: 978-3-85535-687-4

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