Rezension zu »Mein Mann« von Maude Ventura

»Erst mit meinem Mann begann ein Leben, das es wert ist, archiviert zu werden.«

Sie ist eine 40-jährige Frau, die alles hat: eine Karriere als Lehrerin und Übersetzerin, die sie glücklich macht, ein perfekt und teuer eingerichtetes Haus in der Vorstadt, zwei großartige Kinder, und einen Ehemann, in den sie nach 15 Ehejahren noch genauso verliebt ist wie am ersten Tag. Ihr Leben ist perfekt, wenn man von außen darauf schaut. Ihre Freundinnen beneiden sie um ihren Mann, der sich auch als Vater engagiert einbringt. Doch kratzt man an der perfekt inszenierten Fassade, tun sich schnell Abgründe auf. Denn sie ist besessen. Besessen von ihrem Mann und der Liebe. Besessen von der Liebe an sich, von der Liebe zu ihrem Mann und von der Liebe, die ihr Mann ihr entgegenbringt. Liebt er sie noch immer wie zu Beginn der Beziehung? Wird er sie auch morgen, in einem, fünf, zehn Jahren noch so lieben? Liebt er sie mehr als die gemeinsamen Kinder? Liebt er sie so sehr wie sie ihn liebt? Und warum, wenn er sie doch liebt, tut er immer wieder Dinge, die sie kränken? Sie will es wissen, sie muss es wissen. Also testet sie ihn. Erst nur ein bisschen. Dann immer mehr. Und verpasst den Punkt, an dem sie zu weit geht.

»Die Entscheidung liegt allein bei mir: Hat mein Mann es verdient zu leben?«

»Mein Mann« ist ein starkes und faszinierendes Porträt einer Frau, deren gesamtes Leben und Sein sich um ihren Mann dreht. Wir begleiten die – nicht umsonst namenlos bleibende – Protagonistin in einer Woche ihres Lebens, von Montag bis Sonntag. Sie lebt, atmet und existiert für ihren Mann, ihre Obsession ist so faszinierend wie bedenklich. In diversen Listen analysiert sie sein jedes Verhalten, kennt ihn besser als sich selbst und kennt ihn eigentlich doch nicht. Denn wäre sie ehrlich zu sich selbst, könnte sie klarsehen, würde sie erkennen, dass sie viel mehr verliebt ist in die Liebe, viel mehr verliebt ist in die Vorstellung ihres Mannes, als in ihren Mann als die Person, die er ist. Jede seiner Gesten und Äußerungen wird akribisch notiert, zerdacht und analysiert. Wie viel sagt die Summe des von ihm getätigten Wocheneinkaufs über seine Liebe zu ihr aus? Jede Unachtsamkeit, jedes falsche Worte, jede seiner »Sünden« wird in einem eigenen Heft notiert und nach eigenem Ermessen gerecht bestraft. Ihre Fixierung ist krankhaft und alles bestimmend. Ihre Kinder beachtet sie kaum, sie sind ihr lästig und im Weg, stören die Zweisamkeit mit ihrem Mann, nehmen die Aufmerksamkeit und Liebe in Anspruch, die er doch ihr entgegenbringen müsste. Ihre Persönlichkeit und ihr Äußeres gestaltet sie so, wie sie glaubt, es müsse ihm gefallen. Zwei Menschen, die ein Leben teilen und eine Lüge leben, die sich eigentlich nicht kennen. Was wir sehen, ist eine Woche. Was sich abspielt, sind 15 Jahre aus Lügen, Täuschungen, »Liebestests« und Bestrafungen. Wir sind dabei, als sie in dieser Woche die Grenze überschreitet. Wir sind nicht vorbereitet, auf das, was uns am Ende erwartet.

»Heute glaube ich, mit Gewissheit sagen zu können, dass ich den Tod eines meiner Kinder überleben würde, nicht aber den meines Mannes.«

Ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen. »Mein Mann« zeichnet ein beeindruckendes Abbild einer toxischen Beziehung und einer Verkehrung von Liebe zu etwas Hässlichem, Berechnendem. Eine Frau, die Hilfe braucht. Eine Familie und ein Leben, das nur der Inszenierung dient – eine Bühne für die Liebe und die Geschichte einer Obsession. »Mein Mann« ist außergewöhnlich, anders und süchtig machend. Faszinierend, schockierend, großartig!

»Egal, was ich tue, mein Mann ist mein Referenzpunkt, mein Maßstab, mein Meeresspiegel.«




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Daten zum Buch
Titel: Mein Mann
Autor*in: Maude Ventura
Sprache: Deutsch
Aus dem Französischen übersetzt von Michaela Meßner
Verlag: Hoffmann und Campe
Hardcover | 272 Seiten | ISBN:  978-3-455-01804-2

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