Rezension zu »Was ist schon für immer« von Katja Lewina

»Jedes Leben muss eines Tages zu Ende gehen, so auch unseres. Insgeheim wissen wir das alle – nur es uns eingestehen, das wollen wir ums Verrecken nicht.«

Du denkst, du hast alle Zeit der Welt. Eine leise Stimme in dir weiß zwar, dass du eines Tages sterben wirst, aber es ist eben genau das: eines Tages. Nicht heute, nicht morgen, nicht nächstes Jahr. Denn Sterben ist etwas, das alte und kranke Menschen betrifft. Und du bist jung und gesund. Gerade noch sitzt du mit deinem Mann und deinen drei Kindern beim gemeinsamen Abendessen. Ihr unterhaltet euch, scherzt herum, lacht über die aufgeweckten Sprüche des siebenjährigen Sohnes. Ein ganz normaler Abend eben. Einer von so vielen. Stunden später wirst du eben jenen lebensfrohen kleinen Jungen tot in den Armen halten. Plötzlicher Herztod, das Ende eines Lebens noch bevor dieses Leben überhaupt richtig beginnen konnte. Dein Herz, zerrissen und überlastet von deiner Trauer, deiner Verzweiflung und deinem Schmerz, macht, was es, wie sich herausstellen soll, schon zu jedem anderen Zeitpunkt hätte tun können: Es gibt auf. So erfährst du also von deiner angeborenen und erblichen Herzerkrankung, die dir in jedem einzelnen Moment deines 38-jährigen Lebens den Tod hätte bringen können. Inmitten der Trauer um den Verlust deines Sohnes kämpfst du nun aus dem Nichts auch um dein eigenes Leben.

»Wenn eine Person, die wir leben, stirbt, dann stirbt auch unsere gemeinsame Zukunft. Weggewischt sind all die Dinge, die wir zusammen erleben wollten, unsere Pläne, unsere Hoffnungen, unsere Sehnsüchte.«

Zwei Jahre ist es her, dass Katja Lewinas Leben von einer Sekunde auf die andere für immer verändert wurde. Der Tod ihres Sohnes, die Auswirkungen seines Todes auf ihre Familie, das Leben mit ihrer Erkrankung. Viel ist passiert in diesen zwei Jahren, die Möglichkeit des Todes ist seitdem kein schwammiger Gedanke für eine ferne Zukunft mehr, sondern real, allgegenwärtig, Alltagsbegleiter. Wie lebt man in dem Wissen, dass das Leben jederzeit vorbei sein könnte? Welche Entscheidungen trifft man, die man vorher nicht getroffen hätte? Wie geht man damit um, dass nicht nur man selbst, sondern alle, die man liebt, sterben können? Wie bereitet man sich selbst und seine Liebsten auf die Möglichkeit des Todes vor? Versucht man alles, um das Unausweichliche möglichst lange aufzuschieben oder schöpft man in der verbleibenden Zeit aus allen Vollen? Wie trauert man, wie ist man für andere, die trauern? Welche Worte braucht der Tod, wie viel Raum sollte er in unseren Gedanken einnehmen? Und: Was zählt wirklich im Leben?

»Wenn ich eins gelernt habe aus allem, dann das: Wir haben wirklich gar nichts in der Hand. Weder unsere Gesundheit noch die unserer Leben, weder unser Leben noch unseren Tod. Alles, was uns bleibt, ist, uns an dem zu freuen, was wir in diesem Moment haben.«

Diesen und vielen weiteren kleinen und großen Fragen und Gedanken des Lebens und des Sterbens widmen sich Lewinas Essays in »Was ist schon für immer«. Ihre Ausführungen sind dabei so ehrlich und nahbar, wie sie nur sein können; kein Schöngerede, keine Plattitüden, sondern Ehrlichkeit und emotionale Nacktheit – eben voll und ganz Katja Lewina. Ich habe großen Respekt davor, wie es Lewina gelungen ist, die eigene Endlichkeit und noch viel mehr den Verlust ihres Sohnes so aufzuarbeiten, wie wir es in »Was ist schon für immer« zu lesen bekommen. Denn trotz der ernsten, schmerzhaften Thematik, ist dieses kurze Büchlein ein leichtes Büchlein. Voll von klugen Gedanken, kleinen Weisheiten und Anregungen für eigene Gedanken. Es ist eine Art Safe Space, die sich hier ermöglicht, sich anhand der Erlebnisse einer anderen Person mit der eigenen Endlichkeit und – vielleicht noch viel dringender – mit der seiner eigenen Liebsten auseinanderzusetzen. Impulse zu finden, wie man selbst auf das Leben und den Tod blicken möchte, was man selbst braucht, um sein Leben glücklich, erfüllt und zufrieden betrachten zu können.

Ein kleines, feines Büchlein mit starker Message: Nichts ist für immer. Nichts gehört uns. Das macht Angst, ja. Aber in der Akzeptanz dieser Erkenntnis liegt unendlich viel Freiheit und vielleicht auch Seelenfrieden.

»Verdammte Scheiße, ja, wir sind am Leben! Machen wir was draus.«




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Daten zum Buch
Titel: Was ist schon für immer
Autor*in: Katja Lewina
Sprache: Deutsch
Verlag: DuMont
Hardcover | 144 Seiten | ISBN: 978-3-7558-0007-1

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