Rezension zu »Die Sache mit Rachel« von Caroline O'Donoghue

Als sich das Jahr 2009 in Cork dem Ende zuneigt, lernt die Anfang 20-jährige, planlose Literaturstudentin Rachel bei ihrem Nebenjob in der Buchhandlung die neue Aushilfe James kennen. 

»Im Nachhinein ist es fast komisch, dass James und ich so gute Freunde geworden sind, wenn man bedenkt, dass er mich in den ersten zwei Wochen für jemand ganz anderen hielt.«

wird sie Jahre später auf den Beginn einer Freundschaft zurückblicken, die Rachels Leben von Grund auf ändern, prägen und beeinflussen wird. Denn zwischen James und Rachel entsteht eine Liebe, wie sie selten ist im Leben. Man könnte von Familie sprechen, aber das würde der Sache nicht gerecht werden, was die beiden verbindet ist tiefer, ein Bedürfnis, Bestimmung. So fragt James Rachel bereits nach kurzer Zeit, ob sie seine Mitbewohnerin werden möchte, und Rachel sagt Ja. Fortan verbringen die beiden jede freie Minute miteinander, schlafen im selben Bett, teilen Leben, Träume, Hoffnungen und Enttäuschungen. Rachel gesteht James, sich in ihren Literaturprofessor Dr. Byrne verguckt zu haben, mit einem wahnwitzigen Plan, zu dem vermutlich nur junge Menschen fähig sind, die erst handeln und nicht denken, planen sie ein Treffen der beiden und ziehen dafür den ganzen Buchladen mit in ihre Aktion hinein. Der Plan verläuft erfolgreich, wenn auch anders als gedacht, denn nicht Rachel ist es, die am Ende des Abends in Dr. Byrnes Armen landen wird. Als Rachel aus der Not heraus, die ein bevorstehender Collegeabschluss und eine Planlosigkeit ob der Zukunft inmitten einer landesweiten Finanzkrise mit sich bringt, ein Praktikum bei Deenie, Dr. Byrnes Frau beginnt, verstricken sich die Leben der drei auf ungeahnte Weise miteinander. In all dem Trubel lernt Rachel den sechs Jahre älteren James Carey kennen. 

»In dem Moment, als er mir seinen Namen nannte, sagte ich: Tut mir leid, so einen habe ich schon.«

Eröffnet sie ihm beim Kennenlernen und nennt ihn fortan Carey. Ein Umstand, der prägend sein wird für die Beziehung der beiden, denn James als Dreh- und Angelpunkt von Rachels Sein ist Teil dieser Beziehung, ob Carey möchte oder nicht. Zusammen mit Carey erlebt Rachel ihre erste richtige Beziehung, die erste tiefe Liebe, die über ein stürmisches Verliebtsein hinaus geht, die ersten Orgasmen, ein Gefühl für ein Leben, das sein könnte, und die Ernüchterung, wenn die Realität sich Bahn bricht. So verfolgen wir Rachel und James bei den Höhen und Tiefen ihres Lebens, dem sich Finden und Verlieren, dem Mit- und Gegeneinander, Anfängen und Enden, dem Leben, dem Chaos, ihrer Freundschaft.

Aus der Perspektive der erwachsenen, hochschwangeren und erfolgreichen Journalistin Rachel tauchen wir in »Die Sache mit Rachel« ein in ihre Vergangenheit, ihre Jugend, den Leichtsinn, den Wahnsinn, die Lebensfreude. Untermalt von den kleinen »Hätte ich damals gewusst«s, die ich beim Lesen liebe, erleben wir diese Jahre Anfang 20 hautnah und in all ihrer Farbenpracht. Es fühlt sich an wie ein Tagebuch, direkt und intim, wie ein Geheimnis, zu dem uns Zugang gewährt wird. Das Geheimnis der Jugend; Jahre, die im Moment des Erlebens aus Extremen bestehen; Momente, dazu gemacht, gefühlt, erlebt, verlebt zu werden, und vielleicht auch ein klein wenig konserviert. »Die Sache mit Rachel« ist für mich weniger Roman und mehr Lebensgefühl, eine Geschichte, die einlädt, für eine Weile in ihr zu verschwinden. Ich flog durch die Seiten als wären sie Wind, der mir durch die Finger rinnt, und habe doch selten so bewusst wahrgenommen, was hintern den Worten steht. Es war der rechte Moment, in dem ich zu diesem Buch gegriffen habe, heiße Sommertage, die sich endlos anfühlen und doch zu viel, die Jugend als Jahreszeit, ich hoffe, ich bin wie Rachel und James und lasse sie nie ganz hinter mir. Ich lege euch diesen Roman ans Herz, es ist ein Wohlfühlbuch der besonderen Art, eine warmherzige, mitreißende Geschichte über eine Freundschaft, wie sie nur wenigen im Leben vergönnt ist, eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über die Jugend, das Leben und die Liebe. Darüber, wer wir sein wollen, wen wir zu welchen Bedingungen lieben wollen, was wir uns vom Leben erwarten und über die vielen kleinen Momente, die sich am Ende zu einer spannenden, unerwarteten, einzigartigen Lebensgeschichte verdichten. »Die Sache mit Rachel« war eine Überraschung im allerbesten Sinn. Dieser Roman hat mir etwas gegeben, von dem ich nicht wusste, das es mir fehlt, das ich es brauche, das ich nicht mehr missen möchte.

»Ich will zwei Dinge: verliebt sein und ernst genommen werden.« 




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Daten zum Buch
Titel: Die Sache mit Rachel
Autor*in: Caroline O'Donoghue
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Christian Lux
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Hardcover | 400 Seiten | ISBN: 978-3-462-00385-7

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