Rezension zu »Alles gut« von Cecilia Rabess

2016, die Präsident*innenschaftswahlen zwischen Trump und Clinton stehen bevor. Nach dem Mathematik-Studium wartet ein Job bei Goldman Sachs in New York auf Jess. Eigentlich steht Goldman Sachs für alles, was Jess ablehnt, und doch kann sie Geld, Prestige und die damit verbundenen Chancen zu gut gebrauchen, um das Angebot abzulehnen. Um alles noch schlimmer zu machen, trifft sie dort Josh wieder. Josh, der bereits zu Unizeiten mit seinen reaktionären, weißen, kapitalismusverliebten und konservativen Ansichten ihre Nerven überstrapaziert hat. Doch schnell entpuppt sich Josh zu Jess' einzigem Verbündeten im Büro. Obwohl sich die beiden weiterhin auf Herz und Nieren streiten, kann sie als einzige Schwarze und als einzige Frau eine Person gebrauchen, die zumindest teilweise auf ihrer Seite steht. So entwickelt sich langsam aber sicher eine Freundschaft zwischen den beiden Kontrahent*innen, die sich noch langsamer und leiser zu einer Liebe entwickelt. 

Was klingt wie der typische Anfang einer jeden Liebesgeschichte, ist in Wahrheit so viel mehr. Denn Liebe trifft hier auf Alltag. Auf tiefschürfende Differenzen und Probleme, die sich eben nicht einfach hinter einer rosaroten Brille verstecken lassen. Denn am Ende des Tages ist Josh die Verkörperung all dessen, was Jess als Problem ansieht: Ein Trump-Anhänger, der an die übermächtige Wirkung von Kapitalismus und den American Dream glaubt, all die Ismen zu gerne wegdiskutiert und Jess' Lebensrealität als Schwarze Frau damit in all seinen Handlungen und Worten unterminiert. Währenddessen erleben wir in Rückblenden Jess' Kindheit, Jugend, Studienzeit sowie in der Gegenwart ihre Lebensrealität bei Goldman Sachs. Die Auswirkungen von Rassismus, Sexismus und toxischer Männlichkeit die verbindenden Elemente über die Jahre hinweg. So strauchelt Jess und fühlt sich zunehmend verloren. Wie viele ihrer Prinzipien gibt sie auf, um mit Josh zusammen sein zu können ohne dass es ständig zum Streit kommt? Wie wichtig ist ihr ein Partner, der ihre Wertvorstellungen teilt? Wie kann sie ihre demokratischen Grundsätze vereinbaren mit ihrer Karriere und dem leisen Wunsch in ihr, der ebenso nach finanziellem Übermaß strebt wie Josh? Wie kann sie in ihrer jetzigen Situation ihrem Vater, einem stolzen Schwarzen Mann, der ein sparsames Leben führte und sein Leben dem Black Empowerment verschrieben hat, unter die Augen treten, geschweige denn, ihm Josh vorstellen? Wer ist Jess? Wer will sie sein? Was ist sie bereit, für ihre Ziele zu opfern? So erzählt »Alles gut« die Geschichte zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich trotzdem zueinander hingezogen fühlen. Widersprüche, die zwangsläufig kollidieren müssen. Obwohl ich den Roman mit großem Interesse gelesen habe und mein Unmut auf Josh regelmäßig der treibende Faktor war, fehlte mir der letzte Funke, der auf so viele übergesprungen ist, für die dieses Buch zum Highlight wurde. Nichtsdestotrotz eine wirklich lesenswerte Liebesgeschichte der anderen Art, die zum Nachdenken über die eigenen Wertvorstellungen und Beziehungen anregt.

»Alles gut« ist eine modern erzählte aktuelle, realitätsnahe Geschichte, die zentrale gesellschaftliche Themen aufgreift und versucht, eine Brücke zu bauen. Zwischen divergierenden Ansichten und Menschen. Und dabei die Frage danach ins Zentrum rückt, ob Liebe halten kann, wenn sie das einzige ist, das zwei Menschen verbindet. Ist Liebe wirklich genug? Wie viel kann die Liebe aushalten? Und: Können sich Menschen ändern?




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Daten zum Buch
Titel: Alles gut
Autor*in: Cecilia Rabess
Aus dem Englischen übersetzt von Simone Jakob
Sprache: Deutsch
Verlag: Eichborn
Hardcover | 429 Seiten | ISBN: 978-3-8479-0160-0

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