Rezension zu »Das Gras auf unserer Seite« von Stefanie de Velasco
»Mit Kindern ist es wie mit Hunden. Du kannst dich entscheiden, ob du willst oder nicht.«
Grit, Kessie und Charly. Drei Frauen Mitte/Ende 40 in Berlin, deren Lebenskonzepte absolut nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen. Fernab von Kinderwunsch, klassischen Paarbeziehungen, Zukunftsgedanken und festen Jobs leben sie ihre Leben voller Freiraum und nach Lust und Laune. Was die drei verbindet ist ihre Freundschaft, ihr Eigensinn und ihre Liebe für Hunde. Autorin Grit kämpft beispielsweise mit ihrem nächsten Roman, geht nachts Containern, um Geld zu sparen, und verweigert sich den Wünschen ihres Partners, der gerne mit ihr in eine richtige Wohnung ziehen würde, und hängt ihr Herz an einen Schrebergarten, den sie sich nicht leisten kann. Kessie fährt nach einem Sturz ihrer Mutter in die Heimat, um dieser bei der Eingewöhnung im Pflegeheim zu helfen und trifft dabei unerwartet auf ihre Jugendliebe Nazim, der inzwischen geschiedener Vater eines kleinen Mädchens ist. Kessies einziger Partner ist Hund Pan, die letzte körperliche Beziehung lange her. Immer wieder wird sie gezwungen, ihren starken Wunsch nach dem Alleinsein zu hinterfragen. Welches Leben hätte sie führen können, hätte sie andere Entscheidungen getroffen? Charly, die Dritte im Bunde, lebt als erfolglose Schauspielerin in einer WG. Die letzte Anstellung ist Jahre her, das Geld knapp. Körperliche Beziehungen pflegt sie mit einem Trio an verheirateten Männern und Zufallsbekanntschaften, schließlich wollen diese nicht mehr, als sie bereit ist zu geben. Als sie unerwartet ein überraschendes Rollenangebot bekommt, das ihr Leben verändern könnte, ist dies nicht die Nachricht, die sie umtreibt. Denn in den Händen hält sie einen positiven Schwangerschaftstest. Wer der Vater ist, weiß sie nicht. Ebenso wenig weiß sie, ob neben dem unkastrierten und aufmüpfigen Hund Bubba überhaupt Platz für ein Kind in ihrem Leben ist. Eine Entscheidung, mit der sie so spät im Leben nicht mehr gerechnet hat. Drei Frauen, drei Freundinnen, drei Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Was die Gesellschaft für richtig hält, steht außer Frage. Doch was wollen Grit, Kessie und Charly?
»Wir sind Frauen, und wir haben keine Kinder. Von Klein auf hat man uns darauf vorbereitet, dass wir uns eines Tages um andere kümmern und das als Erfüllung ansehen. Was wäre, wenn alle Frauen anfingen, dieses Wissen als Ressource zu nutzen – und zwar ausschließlich für sich selbst?«
»Das Gras auf unserer Seite« ist ein spritziger, leichter und unterhaltsamer Roman über drei Frauen in der Mitte ihres Lebens, deren Einstellungen und Lebensentwürfe bei anderen immer wieder anecken. Doch genau das sollten sie nicht. Eine Abkehr von klassischen Familienentwürfen und Lebensplanungen, eine Entscheidung gegen Kinder, freundschaftliche Liebe statt romantischer, der Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung sollte nichts sein, womit man aneckt, sondern einfach nur einige von vielen Möglichkeiten, das Leben zu leben. Durch regelmäßige Gruppenchats unterbrochen begleiten wir die Frauen für eine Weile in ihrem Alltag, in ihren Gedanken und Leben. Verfolgen ihre Sorgen und Ängste, aber auch ihre Frustrationen, die freudigen Momente und ihr Leben mit. Zwischen den Zeilen und ganz nebenbei zeigt der Roman die Grenzen von stereotypen Geschlechterrollen auf, sobald echte Menschen im Spiel sind, zeigt, das Alter nur eine Zahl ist, das Leben bunt und voller Auf und Abs. In »Das Gras auf unserer Seite« wirft Stefanie de Velsasco einen weiblichen Blick auf das Leben von Frauen in der Mitte des Lebens. Ehrlich, direkt und humorvoll thematisiert sie Lebenskonzepte und führt den Leser*innen vor Augen, wie überholt dieses Schubladendenken im Bezug auf das Leben doch ist. Vielleicht hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle noch ein wenig mehr Tiefgang gewünscht, aber es war ein rundum kurzweiliges, angenehmes und unterhaltsames Lesevergnügen.
»Gibt es etwas Wichtigeres auf der Welt als Hunde und Freundinnen?«
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