Rezension zu »Ein Lied über der Stadt« von Ewald Arenz

Ein warmer Sommer in einer fränkischen Kleinstadt im Jahr 1929. Die junge Pfarrerstochter Louise träumt, seit sie denken kann, vom Fliegen. Ihr großer Lebenswunsch ist es, selbst eines Tages Pilotin zu sein. An diesem Wunsch hält sie fest, trotz aller Widerstände und obwohl die Chancen schlecht stehen für ein Mädchen im männerdominierten Feld. Doch Louise ist hartnäckig und geht ein Risiko ein, verlässt ihr behütetes Zuhause und geht nach München. Und wird eine Kunstpilotin. Louise verbringt fortan jede ihr mögliche Minute in luftigen Höhen, fühlt inneren Frieden und pure Lebensfreude. Louises Glück ändert sich schlagartig mit der Machtergreifung des Nationalsozialismus. Eine fliegende Frau entspricht nicht den deutschen Werten, eine Frau gehört hinter den Herd und nicht in die Luft. Schweren Herzens muss Louise München den Rücken kehren und kehrt heim. Um ihren Vater, den Dorfpfarrer, zu unterstützen, bemüht sie sich um eine Stelle als Lehrerin, die einzige Stelle, die ihr als Frau noch offensteht. Doch Louise ist unglücklich und fühlt sich zunehmend unwohl in ihrer Heimat, denn alle schweigen plötzlich, egal was passiert. Das einst freundliche Miteinander wird nun dominiert von Angst und Misstrauen, besonders ein Mann sticht als Anhänger des NS-Regimes hervor und notiert sich jedes »undeutsche« Verhalten. So geraten auch Louises Vater und ihr Kindheitsfreund Georg zunehmend ins Visier der Gestapo, treten beide doch auf ihre Weise doch vehement gegen Terror und Verfolgung ein. Eine schwere Zeit wartet auf Louise, die eine schier unmögliche Entscheidung von ihr fordern wird.

»Weil sie in dieser Stadt Angst vor der Weite und der Fremde hatten. Und wahrscheinlich waren sie deshalb froh, dass sie jetzt in einem Deutschland lebten, das die Käfigtüren wieder schloss. Sie verstand jetzt, was es war, warum die Partei so viel Erfolg hatte, warum sie alle die Leute wählten, die ihnen ihre Gedanken einsperrten.«

Ewald Arenz schafft es immer, mich beim Lesen seiner Bücher tiefe Gefühle fühlen zu lassen. »Ein Lied über der Stadt« hat sich so schön und gleichzeitig doch so furchtbar angefühlt. Und Louise hat sich in mein Herz geflogen. Sie ist eine wunderbar unangepasste, eigenwillige, starke und mutige junge Frau, aufgezogen von einem wunderbar unangepassten, eigenwilligen, starken und mutigen Vater, der ihr Mitgefühl, Verständnis und Akzeptanz beigebracht und vorgelebt hat. Es ist eine Geschichte über Freiheit – das Gefühl, den Kampf dafür und das, was passiert, wenn sie einem genommen wird. Es ist ein Einblick in eine Zeit, die beängstigend war und in vielen Menschen das Schlechteste hervorgebracht hat und eine lähmende Angst vor dem, was kommen wird. Aber es ist auch eine Erinnerung daran, dass es Menschen gab, die für die Freiheit eingestanden sind. Für die Freiheit anderer, auch auf die Gefahr hin, einen Teil der eigenen dadurch einzubüßen. Durch herzensgute, liebenswürdige und mutige Charaktere wie Louise, ihren Vater und Georg stellt Arenz Menschlichkeit und Zivilcourage in den Mittelpunkt einer Zeit, in der genau dies so leicht verloren ging. »Ein Lied über der Stadt« ist eine Geschichte, die ins Herz geht, die mitfühlen lässt, das Schlechte wie das Gute und die die Hoffnung schenkt, dass am Ende das Gute im Menschen siegen wird.

»Dass es Dinge gab, die so schön und so traurig zu gleich sein konnten! Vielleicht bedeutet das Sehnsucht, dachte Louise, das Glück zu wissen, dass irgendwo dort draußen die Vollendung liegt, das große Wunderbare; und die Trauer, dass man doch den Weg dorthin nicht findet.«

Ich möchte euch »Ein Lied über der Stadt« wirklich ans Herz legen. Heute mehr denn je. 

Lasst uns Menschen wie Louise, ihren Vater und Georg ein Vorbild sein. Lasst uns mutig sein, lasst uns die Angst nicht gewinnen lassen. Lasst uns dafür sorgen, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt, sondern aus ihr lernen und besser werden. Als Individuen und als Gesellschaft. Lasst uns unsere Stimmen erheben und einstehen für einander und das, was richtig ist. Bitte.




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Daten zum Buch
Titel: Ein Lied über der Stadt
Autor*in: Ewald Arenz
Sprache: Deutsch
Verlag: DuMont
Taschenbuch | 314 Seiten | ISBN: 978-3-8321-6669-4

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