Rezension zu »Die Hexen von Cleftwater« von Margaret Meyer

»Was geschah hier nur, was für abscheuliche Vorgänge fanden hier statt, inmitten dieser ach so braven Christenmenschen, die ehr die Bibel zitierten, als einer Bettlerin ein Stück altbackenes Brot hinzuwerfen?«

East Angelina, 1645. Martha Hallybread ist im Großen und Ganzen zufrieden mit ihrem Leben. Die stumme Hebamme, Kräuterfrau und Dienerin verbringt seit Jahrzehnten ein ruhiges Leben im beschaulichen Örtchen Cleftwater, immer ihrem Herren Kit dienend, dessen Hebamme und Ziehmutter sie einst war. Doch mit Eintreffen von Silas Makepeace kehrt eine nie zuvor dagewesene Unruhe in den Ort ein. Der gefürchtete Hexenjäger vermutet Hexen in Cleftwater. Schließlich können plötzliche Kindstode, Krankheiten und schlechte Ernten nicht mit rechten Dingen zu gehen. Wo man nach Hexen sucht, in der Absicht welche zu finden, da wird man Hexen finden. Bald schon werden die ersten Frauen weggesperrt, angeklagt und untersucht. Darunter auch Prissy, Kits Küchenmagd und Marthas Freundin. Angst und Unterstellungen bahnen sich ihren Weg, die Dorfbevölkerung wiegelt sich zunehmend gegeneinander auf. Kit schleußt Martha bei Makepeace ein, um Prissy zu helfen. Ihre Aufgabe: Die Körper der Frauen nach sogenannten Hexenmalen abzusuchen, nach Stellen, an denen die Frauen ihre Dämonen ernährt haben. Normale Muttermale, Sommersprossen, Hautveränderungen. Doch wer nach Hexenmalen sucht, in der Absicht welche zu finden, der wird fündig werden. Es dauert nicht lange, da platzt das Gefängnis vor angeblichen Hexen. Auch gegen die stumme und wehrlose Martha werden immer mehr Vermutungen und Gerüchte laut, schließlich überlebt nicht jedes Kind, dem sie bei der Geburt hilft. Bald schon muss Martha nicht mehr nur um das Leben ihrer Freundinnen kämpfen, sondern auch um ihr eigenes. In ihrer Angst wendet sich Martha dem Erbstück ihrer Mutter zu, dem Atzmann, einer Wachspuppe, die die Kraft haben soll, Martha zu schützen. Doch steckt wirklich ein Zauber in dem Püppchen oder bringt seine Existenz Martha erst recht in Gefahr?

»Wir sind verflucht, bloß weil wir Frauen sind. Sie schätzen uns für unsere Fut und vielleicht unser Aussehen, aber für kaum etwas anderes. Sie benutzen uns, Martha. Sie kaufen und verkaufen uns, sie schwängern uns, sie sperren uns ein. Wenn wir aufbegehren, dann drücken sie uns nieder.«

»Die Hexen von Cleftwater« war eindringlich und fürchterlich auf eine wirklich gute Art. Ich brauchte ein wenig, um mit dem in Anlehnung ans alte England gewählten Schreibstil warm zu werden und eine Verbindung zu Martha aufzubauen. Doch als ich sie gefunden habe, diese Verbindung, ging mir diese Geschichte wirklich nahe, die auf erschreckenden und realen historischen Ereignissen basiert. Der Roman ist ein Abbild einer Zeit, in der Frauen von vornherein kaum Rechte hatten und als Besitz des Vaters, Bruders, Mannes, Dienstherren galten. Es begeistert mich immer, von Frauen zu lesen, die trotz miserabler Zustände für jedes kleine bisschen Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen. Martha ist so eine Frau. Auch wenn sie dies zu einer Außenseiterin macht. Erschwert durch ihre Stummheit und die Ignoranz der meisten Menschen in Cleftwater, die Martha zwar ihr Leben lang kennen und doch nicht einsehen, ihre Zeichensprache zu verstehen zu lernen. Allein das wäre genug. Dann kam die Hexenverfolgung. Die Verfolgung von hauptsächlich Frauen, einfach nur, weil sie Frauen sind. Anhand von Martha, Prissy und anderen Frauen zeigt »Die Hexen von Cleftwater« eindrücklich, was passiert, wenn die Angst vor der Andersheit und dem Besonderen auf religiösen, fanatischen Nährboden einer patriarchalen Gesellschaft trifft, die Frauen einerseits nichts zutraut, und andererseits unfassbare Angst vor ihren eventuellen Fähigkeiten und ihrem Aufbegehren, ihrer Selbstbefreiung hat. Düster, mystisch und atmosphärisch erzählt der Roman ein Stück furchtbares Geschichte im Kampf für weibliche Selbstbestimmung und Befreiung. 




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Daten zum Buch
Titel: Die Hexen von Cleftwater
Autor*in: Margaret Meyer
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Cornelius Hartz
Verlag: C. H. Beck
Hardcover | 350 Seiten | ISBN: 978-3-406-80686-5

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