Rezension zu »Sonne über Gudhjem« von Michael Kobr

Ausgebrannt von seiner Arbeit als hochdekorierter Kriminalpolizist hat Lennart Ipsen beschlossen, sich eine Auszeit zu gönnen. Ruhe, Erholung, ein beschauliches, friedliches Leben fernab vom Großstadtstress vor einer traumhaften Urlaubskulisse mit weißen Sandstränden, Meer und frischem Wind: Das ist genau das, was sich der Endvierziger für sein Jahr in Gudhjem auf der Insel Bornholm erhofft. Dazu passt sein neuer Job als Leiter der kleinen Bornholmer Kriminalpolizei. Denn ganz ohne Arbeit kann Lennart eben nicht. Aber was sollte es im beschaulichen Bornholm schon groß zu tun geben außer gelegentlichen Diebstählen, Streitigkeiten und der ein oder anderen Kneipenschlägerei? Schließlich ist das hier ein kleines Stückchen dänisches Inselparadies. Doch kaum angekommen auf der Insel passiert er, ein Mord. Und was für einer. Schweinebauer Kristensen wird in seiner eigenen Räucherkammer gefunden: eingesperrt und zu Tode geräuchert. Tatkräftig unterstützt von seinen beiden jungen Kolleginnen und seinem zwar in Rente gegangenen, aber noch immer neugierigen Vorgänger beginnt Lennart mit den Ermittlungen. Schnell zeigt sich, dass Kristensen alles andere als ein beliebter Zeitgenosse war. Bald wimmelt es vor Mordverdächtigen und Mordmotiven, der halbe Ort scheint noch eine Rechnung mit Kristensen offen gehabt zu haben. Auf der Suche nach Antworten taucht Lennart ein in die Schattenseiten der Sonneninsel, die ihn bald tief in Gegenwart wie Geschichte Dänemarks führen.

Wenn die eine Hälfte meines liebsten Autorenduos einen Solo-Krimi schreibt, gibt's kein Universum, in dem ich dieses Buch nicht lesen würde. »Sonne über Gudhjem« ist der Beweis, dass Michi Kobr auch allein einen wunderbaren Krimi auf die Beine stellen kann. Denn das waren wirklich schöne Lesestunden! Ich hatte von Anfang an das Gefühl, Lennart schon ewig zu kennen. Die Einblicke in sein Privatleben waren wunderbar lebensnah und unterhaltsam. Auch die restlichen Figuren waren toll gezeichnet, die Eigenheiten der Inselbewohner*innen, aber auch die mehr oder weniger positiven Eigenschaften der deutschen Urlauber*innen waren super getroffen und haben zu einem authentisch wirkenden Lesegefühl beigetragen. Über den Schreibstil müssen wir nicht reden, Michi Kobr kann schreiben. Und zwar so, dass man's lesen will und sich wunderbar durch die Seiten getragen fühlt. Am besten gefallen hat mir die Mischung aus Kurzweiligkeit und Ernsthaftigkeit, die in diesem regionalen Krimi in einem richtig guten Gleichgewicht sind: »Sonne über Gudhjem« liest sich leicht, hat dabei aber mit Hinblick auf die Geschichte Dänemarks einen überraschend interessanten und lehrreichen Tiefgang. Ich habe viel Neues gelernt, ohne das Gefühl des Lernens gehabt zu haben. Für mich eine richtig gute Art der Unterhaltung!

»Sonne über Gudhjem« zeigt, dass es manchmal gar nicht viel braucht, um aus einem Buch ein richtig gutes zu machen. Es bietet einen sympathischer Protagonisten mit unterhaltsamen Privatleben, einen undurchsichtiger Mordfall vor einer tollen Kulisse, gespickt mit tatsächlichen historischen Begebenheiten. Es war spannend, es war unterhaltsam, ein bisschen wie Urlaub und vor allem eins: entschleunigend. Ich freu mich schon darauf, Lennart und sein Team bei ihrem nächsten Fall zu begleiten und auf eine literarische Rückkehr auf die Sonneninsel. 

P.S.: Ich hab leider den schwerwiegenden Fehler begangen, die Insel zu googeln, hab mich auf den ersten Blick verliebt in diese Gegend und jetzt akutes Fernweh!




..................................................................

Daten zum Buch
Titel: Sonne über Gudhjem
Autor*in: Michael Kobr
Sprache: Deutsch
Verlag: Goldmann
Hardcover | 416 Seiten | ISBN: 978-3-442-31689-2

Kommentare