Rezension zu »The Marmalade Diaries« von Ben Aitken

»Wer weiß schon, welche von unseren Worten einen Eindruck hinterlassen?« 

London, 21. Oktober 2020. Für Ben und Winnie beginnt eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft: Der Mittdreißiger ist verzweifelt auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung und die Mitte 80-jährige Winnie Carter braucht jemanden, der ihr in ihrem für sie allein viel zu großen Haus Gesellschaft leistet und zur Hand geht. Das Zusammenleben gestaltet sich schwierig: Winnie, die noch immer um ihren erst kürzlich verstorbenen Mann trauert, fällt es schwer, Platz für Ben zu schaffen, und Ben muss sich an Winnies Art und Weise gewöhnen. Doch schon bald müssen die beiden noch enger zusammen rücken, denn die Pandemie schlägt zu. Durch zahlreiche Lockdowns und Einschränkungen sind Winnie und Ben zwangsläufig zusammen gepfercht und für lange Zeit die einzige Gesellschaft. Ein Jahr voller Stillstand und gemächlicher Veränderung beginnt. Ein Jahr voll von Toasts mit Orangenmarmelade, dem Lesen der »Times«, gemeinsamen »The Crown«-Serienabenden, interessanten Gesprächen, langsamer Annäherung, einer beginnenden Freundschaft und jeder Menger Geduldsproben. Denn Winnie, das wird Ben schnell klar, hatte schon immer ihren eigenen Kopf und im Alter nicht vor, daran etwas zu ändern. 

»Was hält uns davon ab, den Menschen, die wir lieben, zu sagen, dass wir sie lieben?« 

»The Marmalade Diaries« ist genau das: ein Tagebuch. Ben Aitken berichtet von seinem Jahr mit Winnie, einem Jahr voller Isolation und Nähe, Hochs und Tiefs, neuen Erkenntnissen und alten Gedanken. Es ist Alltag. Die kleinen, sich wiederholenden Gespräche und Momente, und die großen, wichtigen. Kleine Ärgernisse und ehrliche Gefühle. Mit einer Prise Humor, die sich anfühlt wie ein stetiges Schmunzeln über die Welt und sich selbst, lässt uns Ben Aitken teilhaben an seinen persönlichen Gedanken, Gefühlen und Eindrücken, lässt uns teilhaben an seiner Zeit mit Winnie und den Generationsunterschieden und dadurch entstehenden Konflikten. Bringt sie uns näher, diese beeindruckende, eigenwillige, bezaubernde Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und Ben mit jeder Menge Sprüchen, Meinungen und Lebensweiten auf Trab hält. Er schafft es, dass auch wir Lesenden Winnie kennenlernen. Ihren Charm, ihren Humor, all ihre bezaubernden, nervigen, unterhaltsamen Eigenheiten, ihr Wesen. »The Marmalade Diaries« ist eine persönliche, warmherzige und auf beste Art subjektive Dokumentation eines Jahres, einer Freundschaft. Dieser Roman ist nicht weltbewegend, aber er ist persönlich, empathisch und voller Liebe und schönen Alltagsmomenten, denen wir viel zu oft viel zu wenig Beachtung schenken. Er zeigt uns, dass Familie die Menschen sind, die wir zu Familie machen. Ich hab mich wohl gefühlt beim Lesen und bin froh, Winnie Carter durch Ben Aitkens Tagebuch-Momente kennengelernt zu haben.

»Ich freue mich auf den Moment in vielen Jahren, wenn jemand ein Glas selbst gemachter Orangenmarmelade vor mich hinstellt und ich an die Zeit zurückdenken muss, als ich mit einer Frau zusammengewohnt habe, die mich gleichermaßen erfreut, amüsiert, inspiriert, verblüfft und verärgert hat. Die Zeit mit Winnie Carter.« 




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Daten zum Buch
Titel: The Marmalade Diaries
Autor*in: Ben Aitken
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Werner Löcher-Lawrence
Verlag: DuMont
Hardcover | 352 Seiten | ISBN: 978-3-8321-6819-3

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