Rezension zu »Kein guter Mann« von Andreas Izqiuerdo

»Er wollte helfen, wusste aber einfach nicht, wie.«

Walter ist Postbote, mit Herz und Seele. Dienstbeflissen, regelkonform, ein bisschen zu sehr in der Vergangenheit verankert. Nichts, das in Walters beinahe 60-jährigem Leben schief läuft, ist seine Schuld. Nicht seine grummelige Art, durch die er Leute auf Distanz hält. Nicht das seit Jahrzehnten zerrüttete Verhältnis zu Ex-Frau und Kindern. Nicht der aus dem Ruder laufende Streit mit einem seiner Kunden, der für die Post schnell untragbar wird. Walter wird vor die Wahl gestellt: erzwungener Frühruhestand oder eine Versetzung in die Christkindl-Filiale. Weil Walter sich den Frühruhestand finanziell nicht leisten kann und gar nicht wüsste, was er tun soll, wenn sein einziger Lebensinhalt wegfällt, entscheidet er sich für die Christkindl-Filiale. In Engelskirchen verbringt er seine Tage damit, Briefe ans Christkind zu lesen und vorgefertigte Antwortschreiben zurückzuschicken. Schnell ist er frustriert von dem Egoismus und der Konsumgier der Briefeschreibenden. Bis ihm Bens Brief in die Hände fällt. Der 10-jährige Ben, der an Gott schreibt, einen Freund braucht und sich um seine kranke Mutter sorgt. Aus einem Impuls heraus antwortet Walter ihm – als Gott. Ein Briefwechsel entsteht, der die Leben der beiden nachhaltig beeinflussen wird.

Der grantige Walter war mir sofort sympathisch, ich habe mich köstlich über seine ausartende Kriegsführung mit seinem Kunden amüsiert. Doch dies war nur die Oberfläche. Über die Seiten hinweg habe ich Walter kennengelernt, hinter die Fassade geblickt, den weichen Kern hinter der harten Schale entdeckt. Langsam, Schicht um Schicht erkennen wir Walter. Erfahren seine Vergangenheit, die Schicksalsschläge, die sein Jetzt formen und prägen. Und beginnen zu verstehen. Gleichzeitig ist da der kleine Ben, konfrontiert mit Situationen und Gefühlen, die größer sind als er. Obwohl zu viel auf seinen kleinen Schultern liegt, besticht er durch seine Lebensfreude, seine Hoffnung und erobert sich einen Platz in Walters lange vernachlässigtem Herzen. Doch lest am besten selbst!

»Kein guter Mann« ist ein Roman fürs Herz. Er spielt in der Weihnachtszeit und ist doch so viel mehr als eine Weihnachtsgeschichte. Das Buch hat emotionale Tiefe und eine lockere Art der Erzählung, die der Geschichte gerade genug Tragik nimmt und durch Charme ersetzt, sodass diese Geschichte beides ist: tragisch und schön, frei von Kitsch, dafür aber mit jede Menge Feingefühl. Ein alter Mann und ein kleiner Junge. Beide einsam und hilflos auf ihre Art, die sich gegenseitig den Halt geben, den jeder der beiden so dringend braucht. Anhand von Walters Schicksal zeigt »Kein guter Mann« wie komplex es ist, ein Mensch zu sein. Warum wir sind, wie wir sind, und was uns zu dem gemacht hat. Dass es dem Leben egal ist, wie gut oder schlecht wir sind, denn manchmal ist das Leben einfach nicht fair. 

Der Roman hat mich daran erinnert, wie wichtig es ist, die Hand auszustrecken, wenn jemand sie braucht. Wie wichtig es ist, jemanden nicht nur nach dem Äußeren zu beurteilen, sondern in die Seele zu blicken. Da zu sein, loslassen zu können. Eine herzerwärmende und -zerreißende Geschichte über Freundschaft, gebrochene Herzen, sanfte Annäherungsversuche und Hoffnungsschimmer. Auf seine ganz eigene, leise Art ist dieses Buch ein kleines Highlight für mich, ein absolutes Herzens- und Wohlfühlbuch, das die ein oder andere Überraschung bereithält, und der Seele Licht und Wärme schenkt. Solltet ihr auf der Suche sein nach einer Geschichte, die euch sanft umarmt, dann bitte, lest »Kein guter Mann«.




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Daten zum Buch
Titel: Kein guter Mann
Autor*in: Andreas Izquierdo
Sprache: Deutsch
Verlag: DuMont
Hardcover | 400 Seiten | ISBN: 978-3-8321-6817-9

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