Rezension zu »Vom Ende der Nacht« von Claire Daverley

» ›Ich denke einfach‹, sagt sie, als sie aufsteht und ihre leere Kaffeetasse zur Seite stellt, ›dass man bloß ein Leben bekommt, weißt du? Wieso sollte man es also unglücklich oder teilnahmslos verbringen?‹ «

Rosie und Will haben keine Ahnung, dass ein Abend am Lagerfeuer alles für sie ändern wird. Beide befinden sich in ihrem letzten Schuljahr, beide kennen sich seit Jahren und kennen sich doch nicht. Denn die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein: Während Rosie pflichtbewusst ist und jede freie Sekunde für ihre Abschlussprüfungen und ihr Traumcollege lernt, ist Will als Draufgänger stadtbekannt. Doch über Josh, Rosies Zwillingsbruder, lernen sich Rosie und Will auf einer Strandparty kennen, führen für beide überraschende, tiefe Gespräche bis spät in die Nacht und spüren, dass in dieser Nacht etwas passiert, das keine*r von beiden mit Worten fassen kann. Verstohlene Blicke, heimliche Treffen am Leuchtturm, der zu ihrem Platz wird, lange Gespräche folgen dieser Nacht. Hals über Kopf verlieben sich die beiden ineinander, eine Zeit beginnt, die für die beiden Jugendlichen so schön sein könnte, hätten nicht beide ihre jeweiligen Päckchen zu tragen. Das Leben, die Zukunft kommen dazwischen. Bis eine Katastrophe eintritt und die Leben der beiden nachhaltig erschüttert. So vergeht die Zeit, Entscheidungen werden getroffen, Leben gelebt, Menschen ge- und entliebt. Doch egal, wie viel Zeit vergeht, egal, in welchem Lebensabschnitt sie sich befinden, wer an ihrer Seite ist, Will und Rosie zieht es immer wieder zueinander, verbunden durch ein Band, das nicht getrennt werden kann, in den Herzen eine Erinnerung an das, was war, und die Unfähigkeit, wirklich loszulassen, was hätte sein können.

» ›Ich wünschte, ich hätte alles auf der Welt mit dir gemacht‹, sagt sie.«

»Vom Ende der Nacht« ist eine schöne, leicht zu lesende Liebesgeschichte, in der man sich für ein paar Stunden verlieren kann. Von Anfang bis Ende überwiegt eine melancholische Grundstimmung, die ich persönlich sehr gerne mochte. Durch die Geschichte und die Zeiten hinweg nehmen die persönlichen Tragödien und psychischen Probleme der beiden Hauptfiguren wesentlichen Raum ein, hier hat mir vielleicht eine tiefere Ausarbeitung und Bewältigung gefehlt. Mit Rosie hatte ich ab und an meine Probleme, waren viele ihrer Entscheidungen für mich doch schwer bis nicht nachvollziehbar – an einem Punkt ist mir dann der Geduldsfaden gerissen und ich musste meine Unzufriedenheit lautstark äußern, um weiterlesen zu können – aber: ich war involviert, das ist immer ein gutes Zeichen. Dafür ist mir Will sehr ans Herz gewachsen, ich wollte sein Glück, auch zulasten von Rosie und ihm. »Vom Ende der Nacht« ist eine klassische Liebesgeschichte und doch wieder so gar nicht. Denn obwohl Rosie und Will ein Leben verbindet, nimmt ihre romantische Geschichte nur einen sehr kleinen Teil davon ein. Als Leserin rechnete ich immer mit dem nächsten Schicksalsschlag, der nächsten Herausforderung. Früher oder später kam sie. Vielleicht war's mir am Ende ein klein wenig zu viel. Definitiv war es mir jedoch zu viel Klischee, das ich so in einer Liebesgeschichte aus dem Jahr 2023 nicht mehr unbedingt lesen möchte. Weil diese Good Girl trifft Bad Boy-Thematik und die »das Leben kommt dazwischen«-Story wirklich oft genug erzählt wurden, vorhersehbar sind und gut und gerne einen frischen, zeitgemäßeren Wind vertragen könnten. Gleichzeitig hat mir die Message des Romans gefallen, der doch von verpassten Chancen und nicht gelebten Leben handelt und auf diese Art daran erinnert, dass das Leben zu kurz ist, um unglücklich zu sein, um Chancen verstreichen und Liebe ohne es zu versuchen vorbeiziehen zu lassen.

Ich bin also etwas unentschlossen was »Vom Ende der Nacht« angeht, denn während des Lesens hat es einfach nur Spaß gemacht, mich mitgerissen, im Nachgang kam mir der ein oder andere Punkt in den Sinn, von dem ich nicht so angetan war. Da mich die Geschichte zudem nicht die großen Gefühle hat fühlen lassen, die sie in mir hätte auslösen können, werte ich »Vom Ende der Nacht« als eine Neuinterpretation einer vielfach erzählten Liebesgeschichte, die kurzweiliges, wohliges Lesevergnügen bereitet, aber nicht zwangsläufig im Kopf bleiben wird. 




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Daten zum Buch
Titel: Vom Ende der Nacht
Autor*in: Claire Daverley
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Margarita Ruppel
Verlag: Hanser Blau
Hardcover | 448 Seiten | ISBN: 978-3-446-27737-7

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