Rezension zu »Nichts in den Pflanzen« von Nora Haddada

Für die junge, aufstrebende Drehbuchautorin Leila wird ein Traum wahr: Sie hat ihren ersten Vertrag für ein Drehbuch bei einer großen Produktionsfirma unterzeichnet. Alles, was jetzt noch fehlt, ist ein Ende für ihr vielversprechendes Manuskript. Doch wie schreibt man es, ein Ende, DAS Ende, das der Story gerecht wird? Und wie um alles in der Welt soll sie dem Wunsch der Lektorin entsprechend ihre Hauptfigur für die Rezipierenden sympathischer machen? Ihr Gefühl lässt Leila im Stich. Ihre Schreibroutine gerät aus den Fugen. Nicht zuletzt, weil ihr Arbeitszimmer plötzlich wie bevölkert scheint von einer schier unendlichen Anzahl an kleinen Mücken, die wie aus dem Nichts zu kommen scheinen. Je länger die Schreibblockade, desto größer die Verzweiflung. Leila flüchtet vor der Aufgabe. Geht in Eckkneipen, besucht Dinnerpartys von anderen verwandten Seelen der Kunstszene, die sie doch alle nur langweilen. Veranstaltungen, die dominiert werden vom Zwang, sich und seine Leistungen im besten Licht zu präsentieren. Veranstaltungen, auf denen Neid, Missgunst, Egoismus und ein ständiger Konkurrenzkampf regieren. Verbringt Zeit mit ihrem Freund, meidet ihren Freund, beneidet ihn um seinen Erfolg. Betrinkt sich. Gnadenlos, mit Hingabe, Abend um Abend. Leila macht alles, außer schreiben. 

»Nichts in den Pflanzen« erzählt von einer authentischen, fehlerbelasteten und stellenweise sehr unsympathischen, manischen Hauptfigur. Vordergründig geht es um eine Schreibblockade, vielleicht auch um eine Lebensblockade und um die mehr oder weniger gesunden Verdrängungsmechanismen. Hintergründig geht es um mehr: um den Druck perfekt zu sein. Abzuliefern in einer Industrie, die nicht durch Freundlichkeit, sondern durch Druck, Konkurrenz und der Austauschbarkeit ihrer Teilnehmenden funktioniert. Es geht darum, was passiert, wenn man aufhört, zu funktionieren, wenn man aussteigt, die vorgesehenen Muster verlässt. Leila wird zu einer Randfigur, die mit Konventionen bricht. Die verloren geht in der Hoffnung, etwas Wahres zu finden. Chaos und Struktur, Distanz und Nähe prägen den Roman, auch hervorgerufen durch die Zeitsprünge der Kapitel, wodurch wir Lesenden erst nach und nach die Informationen erhalten, die das Gesamtbild von Leilas Gegenwart liefern. Vielleicht ist es jedoch auch ein Drehbuch, eine Variante von dem, was passieren könnte oder auch nicht. Wie Leila bricht »Nichts in den Pflanzen« auf eine unauffällige, doch spürbare Art mit erzählerischen Konventionen. Zeigt, dass Geschichten nicht immer und zwangsläufig einen Sinn enthalten müssen. Sie können einfach nur ein Schaufenster sein, in einen Ausschnitt einer möglichen Realität, eine kleine Momentaufnahme. Zeigt, dass Enden offen, unbefriedigend und voller Fragezeichen sein können, denn das perfekte Ende gibt es nicht, schließlich geht auch das Leben immer weiter.

Ich glaube, dass dieses Buch nicht jedem*jeder gefallen wird. Weil Fragen offen bleiben, der Sinn fehlt, das Ende keines ist, die Erzählung an einen anhaltenden dämmernden Zustand des Rausches erinnert. Ich mochte es. Ich habe verstanden, dass nicht zu verstehen vielleicht genau das Gefühl ist, dass der Roman mir mitgeben will. »Nichts in den Pflanzen« ist eine Sinnsuche – ob du ihn findest, bleibt offen und ganz dir überlassen.




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Daten zum Buch
Titel: Nichts in den Pflanzen
Autor*in: Nora Haddada
Sprache: Deutsch
Verlag: Ecco
Hardcover | 237 Seiten | ISBN: 978-3-7530-0087-9

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