Rezension zu »Verity« von Colleen Hoover

»You can't look at someone the way he looked at me–with the entirety of his past–without also imagining the future.« 

Lowen Ashleigh ist um die 30, erfolglose Autorin, hat eben ihre Mutter verloren, um die sich sich im letzten Jahr ihrer Krebserkrankung gekümmert hat und steht kurz vor dem finanziellen Ruin. Ein einmaliges, einzigartiges Jobangebot, das Lowen nicht annehmen möchte, sich aber auch nicht entgehen lassen kann, scheint der einzige Ausweg aus ihrer Misere zu sein: Zusammen mit dem Verlag bietet ihr Jeremy Crawford, Ehemann der Bestseller-Autorin Verity Crawford, eine beachtliche Summe Geld dafür, die letzten drei Titel von deren beliebter Buchreihe zu schreiben, da Verity durch einen Unfall nicht mehr dazu in der Lage ist. Veritys Unfall ist nur einer von vielen Katastrophen, die der Familie Crawford in viel zu kurzer Zeit widerfahren sind: Ihre Zwillingstöchter starben kurz hinter einander, die eine an einem anaphylaktischen Schock, die andere ertrank bei einem Bootsunfall im am Familienanwesen angrenzenden See. Nach Veritys Unfall muss Jeremy nun die Scherben seiner Seele zusammenklauben und gleichzeitig stark sein für Crew, ihr jüngstes Kind. Eine Stimmung, die für alle spürbar ist, die das Anwesen betreten. So wird auch Lowen, die ein paar Tage vor Ort verbringen und sich durch Veritys Aufzeichnungen zu den Romanen arbeiten soll, sofort von der unheilvollen Atmosphäre eingenommen. Beim Durchsehen der Notizen stolpert Lowen über eine noch nicht fertiggestellte Biografie Veritys, die niemand jemals zu Gesicht hätte bekommen dürfen. Schonungslos berichtet Verity darin über ihre Gedanken und Gefühle und die furchtbare Wahrheit hinter der Nacht, die ihre Familie für immer verändert hat. Da Jeremy schon genug leidet, beschließt Lowen, ihre grauenhafte Entdeckung für sich zu behalten. Doch je mehr Zeit sie mit Jeremy verbringt, desto stärker entwickelt sie Gefühle für ihn. Langsam formt sich in Lowen der Gedanke, dass die Wahrheit über seine Frau dazu führen könnte, dass sich Jeremys Gefühle für seine Frau ändern. Denn so aufopferungsvoll er sich auch um seine verletzte Frau kümmert, so schwierig ist es doch, ein Monster zu lieben. 

»I want him to kiss me. But I'm not the married one here. I don't want to make the first move and he shouldn't make the first move, but I'm desperate for him.« 

Ach ja, bin ich dann doch mal der Bookstagram-Versuchung erlegen und habe mich an einen Roman von Colleen Hoover gewagt. Nach wie vor habe ich sehr gemischte Gefühle, was »Verity« betrifft. Lesetechnisch war es super. Der Schreibstil war leicht und mitreißend, ich flog nur so durch die Seiten. Auch an Spannung fehlte es in diesem Mix aus Romance und Thriller nicht. Leider wurden hier für meinen Geschmack zu viele Spannungsmomente aufgebaut, aus denen man dann am Ende mehr hätte herausholen können, irgendwie haben sie sich dann doch alle in Luft aufgelöst und ihr Thriller-Potenzial nicht ganz erfüllt. Die Protagonist*innen waren mir eigentlich durchweg unsympathisch, allen voran Lowen. Ja, ich weiß, Verity soll hier das Monster sein, aber der ehrliche, direkte, ungeschönte und sind mir mal ehrlich total psychotische Ton ihrer Biografie hat mir ziemlich gut gefallen. Lowen hingegen blieb mir ein Rätsel (auch hier wurden thrillerartige Handlungsstränge begonnen, die dann ins Nichts verliefen). Man kann über vieles diskutieren was »Verity« angeht, denn vieles ist und bleibt ja Geschmacksache. Aber es gab drei Sachen, die mich persönlich sehr gestört haben: Einmal Lowens Einstellung zu Sexualität (die über das Buch hinweg zum Glück weniger prüde und vorurteilsbelastet wurde) und damit verbunden auch ihre lasche Einstellung zur Empfängnisverhütung. Waren einfach keine guten Vibes für mich. Ebenso wenig wie Störfaktor Nummer zwei, nämlich diese überholte Auffassung von Rollenverteilung, die doch immer wieder mal durch kam à la Jeremy sähe wie ein Mann aus, der ein Problem damit hätte, für eine Frau Tampons zu kaufen. Wie sieht denn bitte ein Mann aus, der damit (keine) Probleme hat und warum bitte sollte er überhaupt welche damit haben? Irgendwie ein bisschen ermüdend sowas. Und zu guter Letzt hatte ich Probleme mit dem Ende des Romans (sowohl mit dem Originalende, das ich gelesen habe, als auch mit dem neuen Epilog, dessen Inhalt ich mir habe sagen lassen): Das Ende war zu leicht, zu sehr Versuch am Ende doch noch gut zu werden. In diesen mehreren hundert Seiten wurde so viel Psychotisches aufgebaut, da hätte das Ende ruhig noch einen raushauen können. Gleichzeitig komme ich aber auch immer wieder zu dem Punkt zurück, dass es sich einfach verdammt gut lesen ließ und ich ab einem gewissen Punkt nicht mehr aufhören konnte, bis ich das Buch beendet hatte. Ich bin nach wie vor zwiegespalten was »Verity« angeht. Es zu lesen hat mir auf jeden Fall geholfen, den Hype um die Autorin etwas nachvollziehen zu können, doch habe ich mir etwas mehr erwartet. 

Ich denke »Verity« bleibt mein einziger Roman der Autorin, aber ich bin dennoch froh, ihm eine Chance gegeben zu haben. Denn eins steht fest: Er hat seine Spuren hinterlassen, wenn auch nur, weil ich einfach zu keiner Entscheidung kommen kann, wie ich ihn nun fand. 




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Daten zum Buch
Titel: Verity
Autor*in: Colleen Hoover
Sprache: Englisch
Verlag: Sphere
Taschenbuch | 336 Seiten | ISBN: 978-1-4087-2660-0

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