Rezension zu »Der große Sommer« von Ewald Arenz

»Es war nicht einmal ein Jahr. Es war dieser eine Sommer, wie es ihn wahrscheinlich nur einmal im Leben gibt. Dieser eine Sommer, den hoffentlich jeder hat; dieser eine Sommer, in dem sich alles ändert.«

Eigentlich sollte es ein Sommer werden wie jeder andere: sechs Wochen Sommerferien, der große Sommerurlaub mit seiner vielköpfigen Familie. Doch wie das Leben manchmal spielt, kommt alles anders: 5 in Mathe, 5 in Latein, Frieder muss in die Nachprüfungen und die sechs Wochen mit Lernen verbringen. Während der Rest seiner Familie also in den Urlaub fährt, verbringt Frieder den Sommer bei seiner geliebten Oma und seinem respekt- und vielleicht auch etwas furchteinflößenden Großvater. Zum Glück bleiben auch Frieders Schwester Alma und der gemeinsame beste Freund Johann zurück im Städtchen. Als im Schwimmbad plötzlich Beate vor ihm steht, verändert sich Frieders Leben Schlag auf Schlag. Die vier bringen so viel Zeit wie nur möglich miteinander und erleben einen Sommer, wie es ihn vermutlich nur einmal gibt im Leben, voll von all den großen Gefühlen des Lebens, die vielleicht noch ein bisschen größer sind, wenn man 16 ist. 

Mal wieder hat es Ewald Arenz geschafft, mich in den Bann zu ziehen. »Der große Sommer« ist ein leichtes, mitreißendes Buch voller Tiefe, Weisheit und Seele baumeln lassen. Der Coming-of-Age-Roman, der in den 1980er Jahren spielt, umfasst so vieles ohne zu viel zu sein. Die erste große Liebe, der erste große Herzschmerz. Freundschaft, Vertrauen und Vertrauensbrüche. Angst, Trauer, Krankheit, Tod. Freude, Lachen, Zukunftsträume. Respekt, Verantwortung, die Komplexität von Beziehungen, Erwachsenwerden. Ewald Arenz hat ein unglaubliches Gespür dafür, die großen und kleinen Momente des Lebens zu verstehen, die großen wie die kleinen Gefühle spürbar zu machen, das Leben einzufangen.

»Komisch, dass es das gab. Dass man etwas schön finden konnte, weil es bewirkte, dass man etwas anderes noch mehr wollte. Oder vielleicht war es gar nichts anderes. Vielleicht war diese Sehnsucht bloß wie die Erinnerung an einen Geschmack von etwas, das man in einem anderen Leben gekannt hatte; etwas längst Vergessenem.«

»Der große Sommer« transportiert eine*n zurück in die eigene Jugend, weckt Erinnerungen an all diese Sommer, die sich unendlich anfühlten, in denen das Leben passiert ist. In denen Freundschaften entstanden und zerbrachen, man sich ver- und entliebte, die Möglichkeiten grenzenlos, Freude und Traurigkeit so eng beieinander. Der Geschmack von Alkohol, der Geruch von Zigaretten, all die verbotenen Dinge, die so verlockend waren; die langen Sommertage und die noch längeren Nächte. Und das Erwachsenwerden, das ganz langsam vonstatten ging, heimlich, unbemerkt, und manchmal doch viel zu schnell. Der Roman hat so viel in mir wachgerufen, mich zum Schmunzeln und Lachen gebracht und mir auch die ein oder andere kleine Träne und Schwere beschert. Er ist in der perfekten Waage: leicht und doch ernst, die schönen Seiten des Lebens und die unabwendbare Tragik, die zuschlägt, der Beginn und das Ende eines Sommers.

Besonders ins Herz geschlossen habe ich die Beziehung, die Frieder zu seiner Oma und seinem Großvater hatte bzw. entwickelt hat. Diese kleinen und großen Momente des Miteinanders, die Fragen zur Vergangenheit, der Versuch, einander trotz der Unterschiede zu verstehen. Familie, Fürsorge, Liebe hat viele Gesichter und wie wir andere behandeln, hat Bedeutung und Auswirkung. Wir können helfen, heilen, zuhören ebenso wie verweigern, zerstören, dicht machen. Wir können vertrauen und zweite Chancen geben. 

»Der große Sommer« ist ein Buch für den Sommer, für heiße Tage und laue Nächte, für die großen und kleinen Gefühle. Einfach schön!

»Warum gab es eigentlich so wenige Wörter für alles, was besonders schön war?«




..................................................................

Daten zum Buch
Titel: Der große Sommer
Autor*in: Ewald Arenz
Sprache: Deutsch
Verlag: DuMont
Taschenbuch | 320 Seiten | ISBN: 978-3-8321-8153-6

Kommentare