Rezension zu »Mindset« von Sebastian Hotz
»Doch was kann ein System zerstören, das die Möglichkeit bietet, selbst aus der Geschichte des Unabombers noch ein Produkt zu machen, das sich als bequem konsumbierbare Thrillerserie auf Netflix in die letzten Windungen unserer kaputt konsumierten Gehirnwindungen frisst?«
Maximilian Krach hat so ziemlich alles erreicht, was man im Leben so erreichen sollte. Als Entrepreneur, Finanzexperte, Lifestyle-Coach, Success-Advisor und Gründer seiner eigenen Firma Krach Consulting hat er sich bereits in jungen Jahren sein Lebenswerk aufgebaut, sich selbst rausgeholt aus ärmlichen Verhältnissen und sich an die Spitze katapultiert. Die Zeit ist also reif, sein umfangreiches Wissen und sein persönliches Erfolgsrezept mit anderen wissensbegierigen Männern (ähm Menschen?) zu teilen. In seinen deutschlandweiten Workshops und Seminaren propagiert er die Werte »Mindset«, »Disziplin« und »Ego«, verspricht den Männern eben den Erfolg, den Maximilian ihnen vorlebt, verspricht die Transformation vom Schaf zum Wolf. Und die Männer, selbst unzufrieden mit ihren Leben, fressen ihn aus den Händen. Um sein Netzwerk zu erweitern und auch außerhalb der Treffen den Kontakt zu seiner Herde (ähm, nein, Rudel natürlich) aufrechtzuerhalten, nutzt Maximilian diverse Social-Media-Kanäle, um sich und sein Erfolgsrezept im perfekten Licht zu inszenieren.
Mirko Mihalic wird während seiner Klo-Pause auf Instagram auf Krach Consulting aufmerksam. Und davon sofort in den Bann gezogen. »Ein komplett anderes Leben, nur durch das richtige Mindset? Ja bitte!« denkt sich Mirko, der nach 10 Jahren immer noch als »der Neue« in seiner Firma gilt, Tag für Tag IT-Tickets löst, die am Ende doch zu nichts führen, kaum Geld und noch weniger soziale Kontakte hat und sein bisheriges Leben eher weggeschmissen als genutzt hat. Bereits nach seinem ersten Seminar ist Mirko Maximilian komplett verfallen, ändert alles an sich, das er ändern kann und beim Rest tut er so, als ob. Das geht gut, für eine Weile. Bis Yasmin, eine Rezeptionistin, die sich Krach unbewusst zur Feindin gemacht hat und die rausfinden will, was es sowohl mit dem Gründer als auch der Firma an sich auf sich hat, hinter den Schein blickt und Mirko und Maximilian auf die harte Tour lernen müssen, dass nicht alles Gold ist, das glänzt.
»Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sich freiwillig Schlaf entzieht. [...] Einzig der Mensch hat im Zuge irgendeiner seiner zivilisatorischen Entwicklungsstufen beschlossen, dass der eigene Körper nicht die Instanz sein sollte, die über die richtige Schlafdauer bestimmt.«
Die Beschreibung auf dem Buchrücken von »Mindset« trifft es ins Schwarze: »Ein Roman über Männer, die keine Zeit und Lust haben, an ihrer Durchschnittlichkeit zu verzweifeln, und eine Gesellschaft, die deren Ausflüchte irgendwie bewältigen muss.« Und doch geht es um so viel mehr. Es geht um Männer mit wenig Selbstwertgefühl und der festen Überzeugung, dass andere Schuld an ihrer Durchschnittlichkeit haben. Dass das richtige Denken diesen Fehler in der Wahrnehmung, im Weltgefüge beheben kann. Schließlich sind sie doch Männer. Stark, männlich, geboren um anzuführen. Und es geht um sogenannte Life-Coaches und Lifestyle-Expert*innen, die diese Schwäche im menschlichen Ego auseinandernehmen, erkennen und in ihren eigenen Profit verwandeln. Die Scheiße für Gold verkaufen, sich bereichern an den Hoffnungen und Träumen anderer und diese oft noch miserabler zurücklassen, als sie sie vorgefunden haben. Es geht um eine Gesellschaft, die solche Menschen gewähren lässt. Die fixiert ist auf Konsum, auf Geld und Macht und Ruhm. Fixiert ist auf die völlig falschen Werte, die Glück mit Geld gleichsetzt und Erfolg mit Seelenheil. Die diese Strukturen überhaupt erst schafft und fördert, die es Menschen erlauben, andere für ihre Zwecke auszunutzen.
Ich habe »Mindset« wirklich gerne gelesen, musste an vielen Stellen schmunzeln, einige Stellen markieren, bin allein bei den ersten Kapiteln mehrmals zu David gerannt mit den Worten »hör dir das an, genau so ist es!«. Es passte. Für mich ist »Mindset« ein gelungener, kurzweiliger und dennoch meinungsstarker Debütroman, der in guter, alter, mehr als lieb gewonnener El-Hotzo-Manier aufzeigt, was falsch läuft in unserer Gesellschaft. Mehr davon!
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