Rezension zu »Der Liebende« von Martin Ehrenhauser

 
»Er wusste, dass mit den Wünschen die Unzufriedenheit kam. Dass man nicht reif war zum Glücklichsein, die Seele keine Ruhe fand, solange man Wünsche jagte. Er wusste aber auch, wie schwer es war, wunschlos zu sein und das Leben in diesem Moment so zu akzeptieren, wie es sich vor einen stellte.«

Monsieur Haslinger ist pensionierter katholischer Pfarrer und kümmert sich als Seelsorger nur noch gelegentlich um die deutsche Gemeinde in Brüssel. Sein gesamtes Leben hat er streng seinem Glauben verschrieben in Einsamkeit verbracht und so sieht nun auch sein pensionierter Alltag aus: Er kümmert sich um Pflanzen, die er, von anderen weggeworfen, auf der Straße findet und päppelt sie wieder auf. Er streift durch die Straßen Brüssels, genießt die Schönheit der Stadt. Er spielt gelegentlich Schach mit einem Freund und genießt die Ruhe seines Lebens mit einem Glas Wein auf seiner Terrasse. Bis Madame Janssen in die Wohnung gegenüber zieht. Die pensionierte Diplomatin hat viel von der Welt gesehen, interessante Menschen kennen- und lieben gelernt und erfüllt die einstige Ruhe der Nachbarschaft mit Musik, Dinnerpartys und ihrer Lebensfreude. Einer Lebensfreude, der sich auch Monsieur Haslinger nicht entziehen kann. Nach und nach kommen die beiden ins Gespräch. Sie verbindet die Liebe zu Pflanzen, gutem Essen und ehrlichen, tiefgehenden Gesprächen. Monsieur Haslinger passiert etwas, womit er in seinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr gerechnet hätte: Er fühlt sich hingezogen zu dieser interessanten Frau und hinterfragt zum ersten Mal in seinem Leben sein Zölibat, das für ihn auch in der Pensionierung noch Gewicht hat. Doch Madame Janssen schafft es, zu Haslingers Kern, zu seinem Innersten durchzudringen. Und bittet ihn, mit ihr an die Nordsee zu verreisen. Dort kommen sich die beiden Verliebten näher, gibt sich Monsieur Haslinger diesen neuen, intensiven Gefühlen hin. Nichtsahnend, dass Madame Janssen ihrerseits ein Geheimnis im Gepäck hat.

»Also sagte er: ›Ich bleibe nicht allein. Deine Liebe geht ja nicht, sie bleibt bei mir.‹ «

»Der Liebende« wird mir aus zweierlei Gründen in Erinnerung bleiben: Erstens, weil es der erste Roman war, der mir vom Autor ungefragt zugeschickt wurde. Zweitens, weil er mich tief berührt hat. 

Martin Ehrenhauser hat es geschafft, mit Worten einen Funken Magie entstehen und auf mich als Leserin überspringen zu lassen. »Der Liebende« ist französisches Lebensgefühl, ist leise und leicht und doch durchdringend, poetisch, mit Worten, die die Seele zärtlich umarmen. Der Roman erzählt eine bewegende, einfühlsame Geschichte über eine unwahrscheinliche Liebe in den späten Tagen eines Lebens. Über Zuneigung und Anziehungskraft, über Schmetterlinge im Bauch und Abschiedsschmerz. Über gelebte Leben, verpasste Chancen und die kleinen »was wäre wenn's«, die uns wohl alle verfolgen. Über zwei einsame Herzen, die zueinander finden, nicht für die erste, sondern für die letzte große Liebe des Lebens. »Der Liebende« hat mir die ein oder andere Träne geschenkt. Tränen der Freude, Tränen der Trauer. Sie kommen auch jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen. Viel mehr möchte ich auch nicht sagen, nur noch eins: Ich lege euch »Der Liebende« wirklich ans Herz, die Geschichte packt euer Herz in Zuckerwatte und umarmt euch ganz sanft und fest zugleich.  




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Daten zum Buch
Titel: Der Liebende
Autor*in: Martin Ehrenhauser
Sprache: Deutsch
Verlag: List
Hardcover | 208 Seiten | ISBN: 978-3-471-36060-6

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