Rezension zu »Voyeur« von Simon Beckett

Donald Ramsey, ein erfolgreicher Londoner Galerist, lebt ein recht belangloses Leben. Leidenschaft, jede Art von Nähe ist ihm ein Fremdwort. Lediglich für seine private Sammlung an erotischen Kunstwerken, die Frauen abbilden, kann er Bewunderung aufbringen. Und doch, ein unerwarteter Moment zwischen ihm und seiner Assistentin Anna – er beobachtet sie, wie sie sich für einen Theaterbesuch umzieht – löst etwas aus in ihm: Interesse, Begehren, der Wunsch, sie zu besitzen. Ungewohnt für den sonst gefühls- und regungskalten Donald. Sein größtes Problem: Annas Freund. Nicht unbedingt die Tatsache, dass er existiert, sondern wie belanglos, gewöhnlich er neben der schönen Anna ist. Sie verdient etwas besseres. Und so heuert Donald den attraktiven, skrupellosen und egozentrischen Schauspieler und Frauenaufreißer Zeppo an: Er soll Anna verführen, die Beziehung zwischen ihr und ihrem Partner beenden. Donald plant die perfekte Intrige. Doch Menschen sind keine leblosen Kunstobjekte, mit denen man nach Lust und Laune umgehen kann. Und ein jeder Mensch hat seinen Preis. 

An und für sich bin ich ja vorsichtig geworden mit Thrillern in letzter Zeit. Weil mich die meisten nicht gerade in Begeisterungsstürme versetzt haben. Also habe ich schon nicht die Welt erwartet, als ich »Voyeur« aus dem Schrank genommen habe. Ein Ort, an dem es seit gut 10 Jahren stand. Und an dem es hätte stehen bleiben sollen. Denn so leid es mir tut, »Voyeur« war so überhaupt und gar nicht meins. Und weil ich erläutern möchte, warum das so ist, komme ich dieses Mal leider nicht ohne Spoiler aus. Also: Wer nicht gespoilert werden will, der sollte jetzt aufhören zu lesen, für alle anderen: Los geht's.

[ab hier: Spoiler-Warnung]

Mein größtes Problem mit diesem Buch besteht darin, dass es eindimensional war. Nicht nur, aber vor allem in Bezug auf die Figuren. Fangen wir mal bei der Figur Donald an. Seine Figur bleibt durchweg an der Oberfläche. Okay, er hat ein Kindheitstrauma, wie man kurz vor Ende herausfindet, aber: keinerlei Charakterentwicklung im gesamten Buch. Dass er jetzt nicht der sympathischste ist, muss ich wahrscheinlich nicht unbedingt erwähnen, mache ich aber trotzdem. Denn: An und für sich finde ich die Idee super interessant, einen Thriller aus Sicht des*der Täter*in zu schreiben. Und ja, die Figur darf auch gerne unsympathisch sein, bietet sich ja rein inhaltlich gesehen an. Aber ich hätte dann gerne emotionale, psychische Tiefe. Jemanden, mit dem ich dann trotzdem eine Art Beziehung – wenn auch eine gespaltene – aufbauen kann. Jemanden, den ich kennenlernen kann, der sich entwickelt, der mir neue Seiten an sich zeigt. Leider Fehlanzeige was Donald anging. Und auch Zeppo ist nicht besser. Zeppo ist für meinen Geschmack einfach nur total klischeehaft. Ein – aus Donalds Sicht – vulgärer Mann, der von Frau zu Frau springt, diese wann immer möglich auf's übertriebenste objektifiziert und wirklich, wirklich eindimensional und fast schon statisch ist. Ist man Zeppo auf einer Seite dieses Buchs begegnet, kann man die restlichen Seiten eigentlich sparen, denn da tut sich nicht viel. Nun gut. Die Figuren waren nicht meins, aber vielleicht zumindest die Handlung? Leider nein. Auch hier: unspektakulär, vorhersehbar, langweilig. Was der interessanteste Part dieses Buch hätte sein können, nämlich der Mord an Annas Freund, war in beeindruckender Kürze abgearbeitet, von der Entscheidung bis zur Tat bis zur Vertuschung. Eigentlich musste Donald Zeppo nur sagen, wie viel Geld er für den Mord zahlen würde, schon war Annas Freund tot, die Leiche beseitigt und es ward nie wieder darüber gesprochen. Keine emotionale Tiefe, kein Zögern, kein nichts, so als hätten sie eine Fliege getötet. Hier hätte ich mir wirklich wirklich wirklich mehr erwartet. Bringt mich zu meinem nächsten und letzten Kritikpunkt: die Bezeichnung des Buchs als »Thriller«. Das war es leider so wirklich nicht. Wer nach zumindest einem Fünkchen Spannung sucht, wird leider enttäuscht werden. Es war für mich schlicht und ergreifend ein belangloses, unrealistisches Leseerlebnis. Ich weiß wirklich nicht, warum ich das Buch nicht abgebrochen habe. Was mich daran am meisten fasziniert: Von einem Autor mit den Verkaufszeilen eines Simon Beckett hätte ich mir mehr erwartet. Aber man steckt wohl einfach nicht drin. Ich weiß, viele von euch haben mir andere Bücher/Reihen von ihm empfohlen. Aber ob ich mich je wieder an eins seiner Bücher wage kann ich aktuell beim besten Willen nicht sagen. Erstmal muss ich »Voyeur« vergessen. Schade.




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Daten zum Buch
Titel: Voyeur
Autor*in: Simon Beckett
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Andree Hesse
Verlag: Rowohlt
Taschenbuch | 384 Seiten | ISBN: 978-3-499-24917-4




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