Rezension zu »Salomés Zorn« von Simone Atangana Bekono

» ›Die Strukturen sind gegen dich, Salomé Atabong, es ist wichtig, dass du lernst, damit umzugehen.‹ «

Salomé Henriette Constance Atabong ist eine 16-jährige Jugendliche, aufgewachsen in einem kleinen Dorf in den Niederlanden. Salomé ist schwarz. Und nach und nach ist Salomé vor allem eins: kampfbereit und wütend. Wütend auf diese Welt, die sie auf ihre Hautfarbe reduziert, die sie wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert. Auf den Hass, den Abscheu, das Unverständnis das ihr und ihrer Familie widerfährt. Ihr Vater hat ihr beigebracht, sich nicht zum Opfer machen zu lassen. Sich zu wehren, zu kämpfen, zuzuschlagen. Als alles außer Kontrolle gerät, der Druck, die Beleidigungen, nicht mehr zu ertragen sind, schlägt Salomé zu. Und landet in der Jugendstrafanstalt. Dort, im Donut, wie die Anstalt für weibliche, straffällige Jugendliche genannt wird, hat Salomé keine Fluchtmöglichkeit. Weder vor sich, noch vor den anderen. Zum vielleicht ersten Mal in ihrem Leben muss sie sich mit sich selbst auseinandersetzen. Mit ihrem Hass, geboren und angefacht vom Hass anderer. Hier ist sie nur eine weitere von vielen. Alle wütend, alle jung, alle auf ihre Art verloren, gestrandet. In angeordneten Therapiesitzungen soll sie aufarbeiten, was zu ihrer Verhaftung und ihrer Verurteilung geführt hat. Doch der Therapeut ist kein Unbekannter, sondern Frits. Salomé kennt ihn. Frits war Teilnehmer einer Reality-Trash-TV-Show, die durch die fremdenfeindlichen, rassistischen Ansichten ihrer Teilnehmenden polarisiert hat. Und so wird Frits zum Stellvertreter für alles, das falsch gelaufen ist in Salomés Leben. Er wird Zentrum ihrer Wut, sie weigert sich, mit ihm zu arbeiten. Doch Salomé bleibt kein Ausweg: Hass löscht Hass nicht aus, er vervielfacht nur, wächst, greift um sich und zerstört. Salomé muss ihren Schmerz, ihre Wut hinterfragen und loslassen. Für die Chance auf ein Danach.

»Ich will damit nur sagen, dass ich oft nicht weiß, warum ich mich über manche Sachen so aufrege. Wenn Papa von seiner Kindheit erzählt, habe ich das Gefühl, dass ich besser den Mund halten sollte. Papa ist aufgewachsen, als die Franzosen ›noch am Ruder waren‹, und er ist nicht wütend. Woher nehme ich also das Recht, es zu sein? Und zwar so wütend, dass mir die Wut aus den Ohren kommt.«

Salomés Geschichte ging mir unter die Haut. Ich mochte den persönlichen, aggressiven, immer wieder abdriftenden Schreibstil, der mir Einblick in die Gedankenwelt von Salomé ermöglicht hat. Ihre Geschichte, die sich nach und nach zusammen setzt: Die Erlebnisse im Donut, Rückblicke in ihre Kindheit und Jugend, ihr Vater, der sie das kämpfen lehrt. Der Besuch im Herkunftsland ihres Vaters, der etwas verändert hat in Salomé, etwas ins Bröckeln gebracht hat, von dem sie dachte, es sei ganz. Die wiederholten, grausamen Diskriminierungen durch andere Kinder, Jugendliche, Mitmenschen. Die Erkenntnis, dass sie in den Augen der meisten einfach nur schwarz ist, austauschbar. Die Erkenntnis, dass die meisten ihr nichts zutrauen, sich wundern, wenn sie in perfektem Niederländisch antwortet. Die Frage, die immer kommt: »Wo kommst du her?«. Und die Erkenntnis, das es nur ein gewisses Maß an Schmerz gibt, das ein Mensch ertragen kann, bis etwas in ihm bricht. Dass Heilung und Vergebung schwer sind, ein Prozess sind. »Salomés Zorn« ist ein Finger in die Wunde unserer westlichen Gesellschaft, ein Fingerzeig auf den systemischen Rassismus, der noch immer verwurzelt ist und Leben zerstört. Ein psychologischer Einblick, ein lauter, verzweifelter Hilferuf einer Jugend, die so leicht verloren gehen kann, ausgelöst und Wut entbrannt von dem, was Gewalt, Hass und Ausgrenzung in Menschen anrichten können. Lest es!

» ›Es ist nicht deine Schuld! Du bist intelligent, und du hast eine Wut in dir, das ist mehr als normal. Das Einzige, was du tun musst, ist, das Destruktive in etwas Produktives zu verwandeln, damit du für die gute Sache kämpfen kannst, für den Umsturz der Systeme, die dich und Leute wie dich strukturell unterdrücken.‹ «




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Daten zum Buch
Titel: Salomés Zorn
Autor*in: Simone Atangana Bekono
Sprache: Deutsch
Aus dem Niederländischen übersetzt von Ira Wilhelm
Verlag: C.H. Beck
Hardcover | 246 Seiten | ISBN: 978-3-406-80000-9

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