Rezension zu »Grazer Irrwege« von Astrid Schilcher

Ein Abend wie jeder andere für Chefinspektor Sepp Semper. Und doch wieder nicht. Denn in der Post wartet ein Brief von ihm, geschrieben von Lisa, einer Jugendfreundin, zu der er seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Damals verband die beiden eine enge Freundschaft, vielleicht auch das gewisse Knistern. Der Brief ist ernüchternd: Lisa arbeitet inzwischen als Prostituierte in einem bekannten Grazer Nachtclub. Ob er sich mal wieder mit ihr treffen wolle, der alten Zeiten willen, fragt sie. Ein Anruf hat Zeit bis morgen, befindet Sepp Semper und legt das Handy beiseite. Doch es soll kein Morgen geben. Als Sepp Semper am nächsten Tag zu einem Tatort gerufen wird, will er es nicht glauben: Lisa ist tot. Selbstmord allem Anschein nach. Doch Semper glaubt nicht daran, vermutet Mord und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Um Lisas Andenken und vielleicht auch sein Gewissen reinzuwaschen. Seine Ermittlungen führen ihn tief in die Esoterik- und Selbstoptimierungsszene: Wunderheiler*innen, angeblich Wundernaturheilmittel, eine Industrie, die den Leuten das Geld aus der Tasche zieht und sie im besten Fall mit leeren Versprechen zurück lässt. Als zwei weitere Morde geschehen, glaubt auch das Team um Semper nicht mehr länger an einen Selbstmord. Doch schaffen sie es, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die*den Täter*in zu überführen, bevor ein weiterer Mord geschieht? Denn er*sie ist noch lange nicht fertig. 

Das Thema des Krimis hat mich wirklich angesprochen, ich bin ja ein Fan von der richtigen Prise an Gesellschaftskritik verpackt in einem guten Buch. Denn das Thema des Buchs ist ein ernstes: Menschen, enttäuscht oder im Stich gelassen von der westlichen Medizin, die verzweifelt nach Rat und Hilfe suchen. Und dann an Menschen geraten, denen ihr Wohlergehen egal ist. Die aus reiner Profitgier allen alles verkaufen würden. Die sich rausreden, alle Schuld von sich weisen, sollte dabei jemand zu schaden kommen. Gleichzeitig wird in »Grazer Irrwege« ein differenziertes Bild auf die Rotlicht-Szene geworfen. Keine Abwertung der Sexarbeitenden, sondern einfach nur eine Momentaufnahme der Realität. Die schlechten und die guten Seiten, das Leben, wie es eben ist. Das hat mir wirklich gut gefallen. Auch mit Sepp Semper und seinem Team bin ich schnell warm geworden, vor allem Sepp mochte ich von Anfang an, seine Liebe zu seiner verstorbenen Frau, die Selbstgespräche, die er im Geiste mit ihr führt – sympathisch und liebenswert! Der Krimi war wirklich angenehm zu lesen, für ein paar Stunden hat mir ein leichtes und doch relevantes Lesevergnügen beschert. Wenn ich mir eins hätte wünschen können, dann noch ein bisschen mehr emotionalen Tiefgang bei den Figuren. Für meinen Geschmack blieben sie recht an der Oberfläche von dem, was möglich gewesen wäre. Auch der private Aspekt, die Beziehungen untereinander hätten noch ein bisschen vertieft und ausgeschmückt sein können. Dann wäre mir die Geschichte noch ein bisschen besser im Kopf geblieben als mich nur gut zu unterhalten. Aber: Mit dem Wissen, dass es einen zweiten Teil geben wird, bin ich neugierig und hoffe, mehr in die Welt der Figuren eintauchen zu können. Denn lesenswert und unterhaltsam ist »Grazer Irrwege«, ich hätte nur gerne ein bisschen mehr davon!




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Daten zum Buch
Titel: Grazer Irrwege
Autor*in: Astrid Schilcher
Sprache: Deutsch
Verlag: Emons
Taschenbuch | 208 Seiten | ISBN: 978-3-7408-1526-4

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