Rezension zu »Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire« von Volker Klüpfel und Michael Kobr

»Sie waren unter unmöglichen Bedingungen zur unwahrscheinlichsten Truppe geworden, die man sich nur denken konnte. Ein Haufen unverbesserlicher Individualisten, die sich irgendwie zusammengerauft hatten. Und nach den vielen Jahren, die Lipaire sich allein durchgeschlagen hatte, in denen er, nach den großen Enttäuschungen seines Lebens, echte Bindungen gemieden hatte, fühlte sich das überraschend gut an.« 

Wenn die beiden Autoren meiner nach wie vor liebsten Regional-Krimi-Reihe eine neue Reihe anfangen, steht von vornherein fest, dass ich sie lesen werde. Egal, wie weit entfernt sie von meinem geliebten Allgäu samt Klufti auch sein mag. Und die Côte d'Azur liegt jetzt wirklich nicht in direkter Nachbarschaft zum Allgäu. Aber man ist ja durchaus aufgeschlossen und offen für neue Schauplätze und neue Charaktere. Also gut festhalten am Bootsrand, damit niemand ins Wasser fällt, denn jetzt gibt's Meer statt Berge. 

Idyllisch liegt es da, das kleine Lagunenstädtchen Port Grimaud im Süden Frankreichs. Ein Örtchen – und das hat mich überrascht –, das erst in den 1960er Jahren von einem Architekten als Planstadt mitten rein ins Wasser und so gebaut wurde, um einem alten französischen Fischerdorf so nahe wie möglich zu kommen. Dieses farbenfrohe, touristisch beliebte Plätzchen Erde hat sich Guillaume Lipaire als Wahlheimat gesucht. Eigentlich heißt er ja Wilhelm Liebherr, der Gute, und ist Deutscher, aber nein, die neue Identität als Wahlfranzose erfordert eben auch einen dazu passenden Namen. Schließlich ist alles an ihm so typisch Französisch, dass niemandem auch nur in den Sinn kommen könnte, er sei es nicht. Und wehe, jemand ist unpünktlich! Aber genug davon. Lipaire lebt in einer kleinen Wohnung und arbeitet als »Gardien«, sprich er kümmert sich in der Abwesenheit der Besitzer*innen um deren diverse Sommerhäuser und -wohnungen. Dass er sich dabei etwas dazu verdient, das besser unentdeckt bleiben sollte, muss nicht extra gesagt sein, versteht sich von selbst. Zu seinen engsten Vertrauten zählt Karim Petitbon, ein junger Mann in seinen Zwanzigern, der in armen Verhältnissen groß wurde und davon träumt, eines Tages eine eigene Yacht zu besitzen und Regatten zu gewinnen. Doch momentan verdient er seinen Lebensunterhalt als Wassertaxifahrer (und unter der Hand läuft natürlich auch noch was). Karim sieht auf zu Lipaire, der es wiederum als seine Aufgabe ansieht, Karim mit seinen eigenen Lebensweisheiten auszustatten. Als die beiden damit beschäftigt sind, das eindrucksvolle Anwesen der Vicomtes für deren baldiges Eintreffen in Schuss zu bringen, als Karim dummerweise einen unbekannten Toten in einem der Schlafzimmer findet. Der kann dort natürlich nicht bleiben, schließlich soll Lipaires Nebenerwerb auch weiterhin ein Geheimnis bleiben. Also verstecken sie in kurzerhand. Und stoßen in der Folge auf Informationen mit gewaltiger Auswirkung: Der Tote scheint die Adelsdynastie der Vicomtes entweder erpresst oder zumindest ein lukratives Geschäft am Haken zu haben. Ein Rätsel, das zu einem geheimen Schatz führen könnte, der irgendwo versteckt in Port Grimaud darauf wartet, gefunden zu werden? Eine Chance, die sich die beiden Gelegenheitsgauner nicht entgehen lassen wollen – zu verlockend die Aussicht auf das Vermögen, von dem beide sehnlichst träumen. Eher unfreiwillig, weil Karim kein Händchen für Geheimhaltung hat, versammelt sich bald eine ungewöhnliche Truppe um Lipaire, der zunächst wenig Lust darauf hat, den ominösen Schatz zu teilen: Eisverkäuferin Jacqueline, Ex-Fremdenlegionär Paul, die Besitzerin des örtlichen Handyladens Delphine und die 84-jährige Lizzy samt Pudel Louis IX. Alle Gelegenheitskriminelle oder doch zumindest offen für die Chancen, die das Leben einem manchmal eröffnet, alle in Situationen, in denen Geld zumindest nicht schaden könnte. Zusammen sind sie »Die Unverbesserlichen«. Etwas ungünstig vielleicht, dass zwar alle topmotiviert sind, aber niemand Ahnung davon hat, wie man einen derart großen Coup tatsächlich plant und ausführt. Außerdem sind auch die Vicomtes nicht auf den Kopf gefallen und streben aus ganz eigenen Gründen nach dem Schatz. Was soll da schon schief gehen? 

»Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire« hält, was der Roman verspricht: Eine amüsante, leichte Gaunerkomödie vor pittoresker Kulisse. Die Ortsbeschreibungen waren derart bildlich, dass ich Port Grimaud förmlich vor meinem geistigen Auge gesehen habe, Urlaubslust und Fernweh, Hunger nach Rotwein und Croissants bekommen habe – Frankreich-Feeling pur! Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Figuren – die Gruppe um Lipaire auf der einen, die Vicomtes auf der anderen Seite – war einfach amüsant, nie langweilig und durch die Charaktere einfach originell. Die Idee, einen Schatz in Port Grimaud zu verstecken und alle Figuren auf eine wilde, planlose Schatzsuche durch die Geschichte und Straßen des Örtchens zu schicken, in der eine Katastrophe die nächste und ein Missgeschick das nächste jagt, war unterhaltsam und gelungen. Aber was mir mit Abstand am besten gefallen hat waren die Charaktere: Jede einzelne Figur hatte Charakter, hatte Originalität und irgendwas, das ihn/sie entweder total liebenswert, total unsympathisch oder irgendwas dazwischen gemacht hat. Ich musste schmunzeln, ich musste den Kopf schütteln, mich aufregen. Sie alle sind einzigartig – Michael Kobr und Volker Klüpfel sind einfach gut darin, derartige Figuren zu erschaffen. Ab und an hat mich Lipaire an Kluftinger erinnert – nicht, weil sich beide so ähnlich wären, denn unterschiedlicher könnten die beiden kaum sein, sondern weil beide einfach so authentisch widersprüchlich sind, mal liebenswert, mal will man sie schütteln, mal fühlt man mit ihnen, mal fragt man sich, was denn eigentlich schief gelaufen ist in ihrem Kopf. Einfach super! Auch der häufige Perspektivenwechsel des Romans hat mir gut gefallen, die Geschichte hat enorm an Struktur, an Tiefe und an diesem Katz-und-Maus-Gefühl gewonnen, dadurch, dass man immer wieder in die Köpfe einer anderen Person eintauchen konnte und man zum Beispiel wusste, wie weit die Vicomtes der Truppe bereits auf die Schliche gekommen sind und wie wenig die Truppe darüber Bescheid weiß. 

»Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire« hat für mich noch nicht das »Kluftinger«-Niveau – ein Lachkrampf, den ich in jedem »Kluftinger« mindestens einmal habe und der dafür sorgt, dass ich die Bücher nicht in der Öffentlichkeit lesen kann, blieb aus – aber das braucht es auch gar nicht. »Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire« ist eine eigene, neue Reihe, die mich gut unterhalten hat, und die dank der ausgezeichneten, einzigartigen Figuren, von deren Innenleben man in diesem ersten Teil einen ersten, kleinen Einblick erhält, vor allem eins bietet: Echt viel Unterhaltungs- und Geschichten-Potenzial für die folgenden Bände!




..................................................................

Daten zum Buch
Titel: Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire
Autor*in: Volker Klüpfel und Michael Kobr
Sprache: Deutsch
Verlag: Ullstein
Hardcover | 496 Seiten | ISBN: 978-3-550-20144-8

Kommentare