Rezension zu »Die Kräutersammlerin und der junge Flößer« von Heidrun Hurst

Schiltach im Schwarzwald. Wir schreiben das Jahr 1344. Johanna ist in ihren Zwanzigern und kümmert sich alleine um Haus und Hof, bestehend aus einem kleinen Ziegenstall, ihrer jungen Freundin Ida und ihrem Kräutergeschäft. Ihre freie Zeit verbringt Johanna gern mit dem jungen Flößer Lukas, der nach wie vor um sie wirbt. Doch noch ist sie sich nicht sicher, ob sie tatsächlich seine Frau werden möchte. Zu viel Angst hat sie, dass es ihr am Ende wie dem Großteil der Frauen im Städtle ergeht, die Johanna regelmäßig mit Medizin versorgt: Sie leiden unter der hohen Geburtenzahl, wissen nicht, wie sie ihre Familie ernähren sollen, werden von ihren Männern meist klein gehalten und oft auch körperlich misshandelt. Trotz ihrer Bedenken und Zweifel, schätzt Johanna die aktuelle Ruhe, schließlich ist sie noch dabei, die Geschehnisse aus dem letzten Jahr zu verarbeiten – und Ida zu helfen, sich in die Gesellschaft und ihr neues Leben einzufinden. Doch die Ruhe währt nur kurz: Eine junge Frau, Magd in der Schankwirtschaft »Zum Hirschen« wird ermordet aufgefunden. Johanna, die aus ihren vorherigen Erfahrungen lernen möchte, möchte trotz Neugier sich diesmal nicht in die Ermittlungen einmischen. Doch ihr Vorhaben gestaltet sich schwieriger als gedacht: Die Lage spitzt sich zu, der Wirt des »Hirschen« klagt über Geräusche, die nachts durch die Wirtschaft geistern und ihn vom Schlafen abhalten. Er bittet Johanna um Kräuter, um endlich wieder Ruhe zu finden. Doch die Kräuter helfen nicht, die nächtlichen Störungen nehmen nur noch zu und bald ist sich die Bevölkerung einig: Im »Hirschen« spukt es, der Beelzebub treibt sein Unwesen. Als selbst der Exorzismus des Pfarrers das Problem nicht lösen kann, sieht Johanna keine andere Möglichkeit mehr: Sie muss wieder mit ihren eigenen Ermittlungen beginnen. Tatkräftig unterstützt wird sie dabei von Lukas. 

Bevor ich mit dem historischen Krimi angefangen hatte wusste ich nicht, dass es bereits der zweite Teil einer Jahre ist. Dementsprechend unsicher war ich mir, ob ich ihn wirklich lesen soll – ihr kennt mich, ich lese Reihen gerne in der richtigen Reihenfolge, man weiß ja nie, wie sehr die Handlung aufeinander aufbaut, selbst bei denen, die man durcheinander lesen kann. In dem Fall von »Die Kräutersammlerin und der junge Flößer« kann ich ganz klar sagen: Man kann Teil zwei sehr gut lesen, ohne Teil eins zu kennen. Warum? Die Ereignisse aus dem ersten Buch werden zwar immer mal wieder erwähnt, jedoch bleiben sie recht oberflächlich und mystisch, was mir sogar noch mehr Lust gemacht hat, Teil eins nachträglich noch zu lesen und mehr über die Umstände zu erfahren, wie Ida zu Johanna kam! Ansonsten kann ich sagen, dass mich der Krimi wirklich positiv überrascht hat. Ich habe noch nicht so viele historische Krimis gelesen und erst recht keine, die im Mittelalter spielen, aber das Setting im Schwarzwald, an der Kinzig war genau richtig. Die Natur wurde als mystischer Ort perfekt in Szene gesetzt, untermalt von den Mythen und dem Aberglauben der damaligen Zeit. Auch die Einblicke in die Lebenswelt des 14. Jahrhunderts wirkten auf mich wirklich gut recherchiert und wurden in einem guten Gleichgewicht aus interessanten Fakten und künstlerischer Freiheit dargestellt. Mit Johanna hat die Autorin zudem eine sympathische, interessante Protagonistin geschaffen, die ihrer Zeit deutlich voraus ist – im Rahmen ihrer Möglichkeiten setzt sie sich aktiv für das körperliche und seelische Wohl der Frauen ein, hinterfragt die bestehenden gesellschaftlichen Normen, die die Frauen zu Hüllen macht, die nur darauf warten, von ihren Männern ausgefüllt zu werden und diesen Nachkommen zu schenken. Sie zweifelt an der Institution der Kirsche und ist auch sonst weder auf den Mund noch auf den Kopf gefallen. Hat mir super gefallen, ein Teil von mir hofft so sehr, dass es damals wirklich Frauen wie Johanna gab. Auch wenn ich mir immer wieder vor Augen führen musste, dass sie ungefähr in meinem Alter ist, was schwer zu begreifen war, bei den unterschiedlichen Leben, die wir führen. Die Ermittlungen an sich standen für einen Krimi meiner Meinung nach relativ im Hintergrund des Geschehens – erst in der zweiten Hälfte des Romans nahm das Geschehen diesbezüglich deutlich an Fahrt auf. Aber auch der Alltag mit seinen kleineren und größeren Problemen und Johannas Tätigkeit als Kräuterheilerin haben mir wirklich gut gefallen. 

Alles in allem ein interessanter, lesenswerter historischer Krimi mit der richtigen Portion Mystik. 




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Daten zum Buch
Titel: Die Kräutersammlerin und der junge Flößer
Autor*in: Heidrun Hurst
Sprache: Deutsch
Verlag: Emons
Taschenbuch | 320 Seiten | ISBN: 978-3-7408-1358-1
Anmerkung: gelesen als E-Book via Netgalley

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