Rezension zu »Mallorquinische Rache« von Lilly Alonso

Sargento Lluc Casasnovas steht endlich die langersehnte, letzte Woche in seiner Karriere bevor. Ausgebrannt und auch gelangweilt von seinem Job als Leiter Guardia Civil in Sóller, freut sich der geschiedene Polizist im mittleren Alter auf eine letzte ruhige Woche bevor er das Zepter an seine ambitionierte Nachfolgerin Josefina García übergibt und den neuen Lebensabschnitt der Frühpensionierung beginnt. Er träumt davon, in den Tag hinein zu leben und sich endlich seines verwaisten und verwahrlosten Gartens annehmen zu können. Doch seine Pläne für diese letzte Woche, die er als sanften Übergang vom Arbeitsalltag zum Dasein als Rentner nutzen möchte, werden jäh durchkreuzt: Ramón Cabot, ein prominenter Bewohner Sóllers, wird mitten am Tag im vollbesetzten Sóller-Express erstochen. Ein Mordfall erschüttert das ruhige Städtchen Sóller, idyllisch gelegen zwischen Bergen und Meeresküste. Der Fall scheint auf den ersten Blick klar: Nicht nur, dass der*die Täter*in Fahrgast im Zug gewesen sein muss, mehrere Zeug*innen berichten zudem davon, dass sich der Ermordete kurz vorher mit seinem bekannten Erzfeind Pablo Rivera lautstark im Zug gestritten hat. Doch hier beginnt auch schon das Ermittlungsproblem: Zwar gibt es massenhafte Zeug*innen für den Streit, doch den Mord hat niemand gesehen. Und auch die Mordwaffe ist nicht auffindbar. Wohl oder übel wird Lluc der Fall übertragen, immerhin ist er – wenn auch nur für wenige Tage – noch der Leiter der ortsansässigen Polizei. So endet die ersehnte Ruhe der letzten Woche bevor sie überhaupt begonnen hat. Lluc fügt sich widerwillig in sein Schicksal, nimmt den Fall als krönenden Abschluss seiner Karriere an, denn Mord passiert normalerweise nicht im Küstenstädtchen, in dem Diebstähle und Kneipenschlägereien normalerweise das höchste der Gefühle sind. Tatkräftig von seiner Lieblingskollegin Francisca Gual unterstützt, beginnt Lluc mit den Ermittlungen, die ihn und die Verstärkung der Kriminalpolizei aus Palma schnell in ein Netz aus Lügen, Heimlichtuereien, altem und neuem Groll sowie dem Gerede der Ortsansässigen verwickeln. Denn eins steht fest: Egal wo auf der Welt, egal wie idyllisch gelegen, ein Dorf bleibt ein Dorf und unter dem äußeren Schein wartet immer die Wahrheit darauf, ans Licht zu kommen. 

Zu Beginn tat ich mich etwas schwer mit den involvierten Personen, habe sie ständig verwechselt, bis ich mich an die Vor- und Nachnamen gewöhnt und sie mit den richtigen Personen in Verbindung gebracht hatte. Von da an war das Buch einfach nur schön. Lluc ist ein sympathischer Protagonist, der der Vergangenheit nach hängt und dabei vergisst, die Gegenwart zu leben und zu genießen. Es war schön zu sehen, wie er durch den Mordfall auflebte, wie gut es ihm tat, zur Abwechslung mal in seinem Job tatsächlich ausgelastet zu sein – und wie wenig er sich dadurch plötzlich auf den baldigen Ruhestand freute. Seine Partnerin und Assistentin Gual mochte ich von Anfang an und je mehr sich die Geschichte entfaltete, desto mehr lernte ich sie kennen: Die ausgelaugte Mutter mit OCD, die trotzdem im Job alles gibt und ohne die Lluc ziemlich aufgeschmissen wäre. Und natürlich muss auch Josefina García erwähnt werden, die ambitionierte und zielstrebige junge Polizistin, die aus der Hauptstadt in die Provinz gezogen ist, um endlich aufzusteigen. Sie kann Llucs Ruhestand kaum erwarten, zählt die Tage, bis sie die Leitung der Polizeistation übernehmen kann. Und stört sich natürlich wahnsinnig daran, dass nicht sie, sondern Lluc diesen medienwirksamen Fall leitet. Durch ihren Charakter eckt sie an, doch je besser man sie kennenlernt, desto mehr merkt man: Da steckt mehr hinter dieser kalten und kontrollierten Fassade als der erste und zweite Blick vermuten mag. Und schließlich ist auch der Mordfall interessant und wendungsreich; die Ermittlungen lassen einen tief eintauchen in das verwobene Geflecht des kleinen Ortes und seiner Einwohner*innen.

Ich habe mich riesig darüber gefreut, diesen Krimi bei einem Gewinnspiel gewonnen zu haben, denn von meiner Kindheit an bis in die frühe Jugend hinein habe ich mit meiner Familie so gut wie jede Sommerferien für mehrere Wochen auf Mallorca verbracht. Und auch dem wunderbaren Örtchen Sóller haben wir natürlich den ein oder anderen Besuch abgestattet. Ein bisschen wie Heim kommen also, in diese Geschichte einzutauchen. Die Orts- und Landschaftsbeschreibungen sind wirklich wunderbar, ich konnte eintauchen in den Sommer auf Mallorca, habe viele Beschreibungen mit Erinnerungen verbinden können, erinnerte mich an die Fahrt im Sóller-Express, hatte den Marktplatz vor Augen, schmeckte den frischgepressten Orangensaft, der für mich nirgends so gut schmeckt wie dort. Urlaubsfeeling gepaart mit Kindheitserinnerungen verpackt in einem schön zu lesenden und unterhaltsamen Krimi – was will man mehr?




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Daten zum Buch
Titel: Mallorquinische Rache
Autor*in: Lilly Alonso
Sprache: Deutsch
Verlag: Heyne
Paperback | 480 Seiten | ISBN: 978-3-453-44134-7

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