Rezension zu »Der längste, strahlendste Tag« von Benjamin Myers

Der längste, strahlendste Tag war mein erstes Buch von Benjamin Myers und ich glaube es wäre besser gewesen, wenn ich mit einem anderen seiner Bücher begonnen hätte. Nachdem ich so viel Begeisterung über Offene See gehört habe, war ich einfach neugierig und wollte auch endlich was vom Autor lesen. Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich es nochmal versuche. Versteht mich nicht falsch, das Buch war nicht schlecht, wirklich nicht. Es war nur nicht meins und konnte mich nicht wirklich erreichen. Ich glaube, das liegt hauptsächlich an meinem persönlichen Geschmack: Ich mag Kurzgeschichten einfach nicht so gerne und dieses Buch besteht nun mal aus 18 seiner Kurzgeschichten – manche mehrere Seiten, manche wenige Zeilen lang. Auch die darin enthaltene Poesie hat einfach nicht meinen Geschmack getroffen, ich will mich beim Lesen einfach nicht ständig fragen müssen, was die tatsächliche Bedeutung hinter dem ist, das ich gerade lese. So geht es zum Beispiel um einen Mann, der Jahr für Jahr eine Apfelplantage pflegt, bis er es nicht mehr tut und diese vergeht. Oder um den Wächter der Bibliothek der ausgestorbenen Tiere, der sich der enormen Verantwortung seiner Aufgabe bewusst ist (diese Geschichte hat mir wirklich gut gefallen!). Eine andere Geschichte handelt von einer Frau, die sich nach Jahren der psychischen und physischen Gewalt durch ihren Mann das Leben nimmt. Wieder eine andere Geschichte handelt von einem Bauern, der in die Fänge seiner Maschine gerät. Manche Geschichten sind aus der heutigen Zeit, manche spielen in vergangenen Jahrzehnten oder gar in vergangenen Jahrhunderten. Im Zentrum stehen immer Männer und die Erwartungen, die von außen oder innen an sie gestellt werden. Das Patriarchat in seiner Hülle und Fülle und die Auswirkungen, die dieses nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Männer durch die Zeiten hinweg hat. Viele der Geschichten enden damit, dass die handelnden Figuren sterben, meist aufgrund von Dummheit oder Ignoranz. Vergänglichkeit und Sterben sind sowieso DIE zentralen Themen dieses Romans: Menschheit, Natur, Tierwelt, Normen und Zeiten, Gesellschaften und Rollenerwartungen. Alles befindet sich stetig im Wandel, alles stirbt, wird ausgerottet, durch Neues ersetzt oder verschwindet ganz. Der Mensch als sein ureigener und größter Feind, der langsam nicht nur alles andere, sondern auch sich selbst auslöscht. Das ist die Message, die ich aus diesen Geschichten mitgenommen habe: Die Menschheit ist scheiße, und besonders die Männer sind geschichtlich betrachtet mehr Teil des Problems als der Lösung. Nun gut, wusste ich schon. Nichts weltbewegend Neues also, aber auch nichts, das nicht gesagt werden sollte. 

Kurzum: Man kann dieses Buch lesen, man muss es aber nicht. Im Nachhinein weiß ich, mir würde nichts fehlen, hätte ich es nicht gelesen. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und vielleicht trifft es ja genau euren Nerv. Manche Geschichten waren wirklich schön, andere lehrreich, einige verstörend, manche haben sich mir nicht wirklich erschlossen und manche habe ich nur gelesen, weil sie eben Teil des Buchs waren. Ich bleibe dabei: Mir sind Romane tausendmal lieber. Also vielleicht gebe ich Offene See doch irgendwann noch eine Chance. 





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Daten zum Buch
Titel: Der längste, strahlendste Tag 
Autor*in: Benjamin Myers 
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Verlag: DuMont
Hardcover | 272 Seiten | ISBN: 978-3-8321-8263-2
Anmerkung: gelesen als E-Book via Netgalley

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