Rezension zu »Das synthetische Herz« von Chloé Delaume

»Liebe ist, wenn sich zwei Einsamkeiten erkennen und in die Arme fallen. [...] Liebe ist, wenn sich zwei Einsamkeiten ergänzen, ohne sich zu verschlingen. [...] Liebe ist, wenn sich zwei Einsamkeiten dabei überraschen, einander erzittern zu lassen.«

Die 46-jährige Adélaïde Berthel ist frisch geschieden. Zum Glück, ihre Ehe war zuletzt nicht mehr die Beste. Zwar geht Adélaïde davon aus, dass sie nicht gleich ihrem nächsten Traumprinzen und Ehemann in die Arme läuft, jedoch ist sie dann doch überrascht davon, wie schwer die Partner*innensuche doch zu sein scheint: Erstens gibt es statistisch gesehen mehr Personen, die sich als Frauen als als Männer identifizieren. Zweitens leben erstere länger. Drittens scheint ein Großteil der letzteren entweder bereits verheiratet, auf der Suche nach jüngeren Partner*innen, homosexuell oder einfach keine gute Wahl zu sein. Und viertens sucht schließlich nicht nur Adélaïde nach der Nadel im Heuhaufen. Ihr Ziel ist einfach: So schnell wie möglich wieder unter der Haube sein, eine wahrhaftige Hochzeitswut befällt sie. Gleichzeitig kämpft sie mit ihrem Leben als Single im Allgemeinen und mit der Einsamkeit im Besonderen – eine neue Katze muss her! – und quält sich gleichzeitig mit dem inneren Konflikt, an der Feminismus-Front zu enttäuschen, denn eine starke, alleinstehende, sich selbst genügende Frau ist Adélaïde nun wirklich nicht. Auch ihre Freundinnen sind nur bedingt eine Hilfe, schließlich haben diese ihre eignen Leben und eigenen Probleme. So stürzt sich Adélaïde in eine potenzielle Beziehung nach der nächsten, auf der verzweifelten Suche nach der eigenen Erfüllung durch eine andere Person. 

Was ich eigentlich erwartet hatte war eine humorvolle, sarkastische Geschichte über eine Frau in der Mitte ihres Lebens, die nach einem selbst gewählten Neustart Ordnung und Erfüllung in ihr Leben bringt. Was ich bekommen habe, war eine Geschichte über eine Protagonistin, mit der ich so gar nicht warm wurde. Statt dem Versuch von Selbstbewusstsein und Selbstfindung gab's Klischees noch und nöcher und, am schlimmsten, nicht das Hinterfragen von, sondern für den Großteil des Buchs die Übernahme patriarchaler und misogyner Frauenbilder. Ab und an hat sich dann zwar doch eine pointierte Bemerkung und Wahrnehmung über die Lebensrealität von mittelalten Frauen sowie die divergierenden und misogynen Ansprüche an weibliche und männliche Körper eingeschlichen, die mich sogar ab und an zum Schmunzeln gebracht haben, jedoch stimmte mich der Großteil des Romans eher missmutig als positiv, ihr endloses Gejammere war einfach lästig. Auch das Ende konnte mich nicht ganz überzeugen, es kam zu schnell, war zu kitschig, zu flach, zu ich weiß nicht recht. Wodurch das Buch trotzdem kein Reinfall für mich war, waren die Eindrücke in die Arbeitswelt von Adélaïde: Sie arbeitet in einem kleinen, aber renommierten französischen Verlag, der noch nicht recht in der Welt von Social Media und Unterhaltungsliteratur angelangt ist. Die Arbeitsweise im Verlag, die kleinen Reibereien der Angestellten und Autor*innen, die Anpassung an die jetzige Zeit, der Kampf um Buchpreise, Medienpräsenz und Reichweite, die Veränderungen und Adélaïdes Chancen am Arbeitsmarkt waren wirklich interessant und entsprachen tatsächlich der Geschichte, die ich erwartet habe. Alles in allem war der Roman sprachlich gut und angenehm zu lesen, der Inhalt konnte mich allerdings leider nur bedingt überzeugen. 




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Daten zum Buch
Titel: Das synthetische Herz
Autor*in: Chloé Delaume
Sprache: Deutsch
Aus dem Französischen übersetzt von Claudia Steinitz
Verlag: Liebeskind
Hardcover | 160 Seiten | ISBN: 978-3-95438-143-2

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