Rezension zu »Tiroler Totenglocken« von Anna Tröber

»Dem Täter kam es offenbar gerade auf diese Symbolik an. Er wollte Furcht säen. Er richtete sich nicht nur gegen das Opfer, sondern gegen die gesamte Gemeinschaft. Hayek fürchtete, dass dies die nicht die einzige offene Rechnung des Täters war. Wenn er es auf den ganzen Ort abgesehen hatte, dann war dies vielleicht erst der Anfang.«

Das Tannheimer Tal liegt idyllisch: Bergpanorama, Seen und grüne Weiden voll von grasenden, zufriedenen Kühen, dazwischen kleinere und größere Ortschaften. Ein kleines Paradies für dort Lebende und Urlauber*innen zugleich. Doch nicht alles, das glänzt, ist Gold und auch eine Postenkartenidylle kann täuschen: Als die übel zugerichtete Leiche eines Ortsansässigen gefunden wird, kommt Unruhe ins 600-Seelen-Dorf. Die ortsansässige Schutzpolizei ist überfordert, der grantige Wiener Oberst Richard Hayek wird gerufen, soll sich des Falles annehmen. Schnell wird ihm klar: Hier herrscht mehr Schein als Sein, unter der Oberfläche der Postkartenidylle schlummert Klatsch und Tratsch, Neid, Missgunst, Scheinheiligkeit sowie die facettenreichen, größeren und kleineren Abgründe der menschlichen Natur. Schwierig für die Ermittlungen, wenn das ganze Dorf zu den Verdächtigen zählt. Und bald schon taucht die nächste Leiche auf, noch brutaler zugerichtet als die erste. Wieder ein Ortsansässiger, wieder blickt Hayek auf ein schier undurchdringliches Netz aus Gerüchten, Vermutungen und Halbwahrheiten. Für Hayek und sein Ermittler*innenteam beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn der zweite Mord soll nicht der letzte bleiben ...

Ich habe diesen Krimi in meinem geliebten Allgäu-Urlaub gelesen. Tagsüber wandern im Tannheimer Tal, abends vom gemütlichen Hotelbett aus auch literarisch dort unterwegs. Was könnte schöner sein? Richtig: Wenn das Buch wie im Fall von Tiroler Totenglocken auch noch unfassbar Spaß macht! Ich bin so froh, dass ich dieses Buch bei einem Gewinnspiel vom Emons Verlag gewonnen habe. »Tiroler Totenglocken« ist von Anfang bis Ende packend und spannend, die Morde auf genau die richtige Weise und überraschend brutal, gewalttätig und finster. Die Charaktere sind Unikate: Vor allem der grantige, unzufriedene, unsympathische Oberst Hayek mit seinen Eigenheiten hat es mir angetan. Und auch die im Dorf aufgewachsene, wieder zugezogene ehemalige Staatsanwältin Veva Wolf, die Hayek eher unfreiwillig und ganz sicher nicht aus Sympathie-Gründen bei seinen Ermittlungen hilft, war mir vom Fleck weg sympathisch. Sie ist eher Außenseiterin, Außenstehende durch ihre Zeit in der Stadt, betrachtet die Dorfdynamik kritisch und hält für Hayek den einen oder anderen nützlichen Hinweis dazu bereit, was wirklich vor sich geht hinter verschlossenen Türen. Das Leben im Dorf, die vielen Verbandelungen, Reibereien, Geheimnisse, der gegenseitig gehegte Groll, die Unstimmigkeiten der zwischenmenschlichen Beziehungen, dieses dem Dorfleben eigene »Was sagen da denn die Leute zu« ist perfekt gezeichnet und getroffen. Die Autorin erzählt mit Witz, Humor und einer ordentlichen Portion Biss und Würze eine Geschichte über Wut, Schuld, Sühne und der Scheinheiligkeit hinter einem kollektiven, jahrelangen »So tun als ob« – mitsamt seiner fatalen Konsequenzen. Gepaart mit Tiroler Dialekt und Lokalkolorit ist Tiroler Totenglocken definitiv eine Leseempfehlung und einer der besten Krimis, den ich dieses Jahr gelesen habe! Ich bin gespannt und freue mich auf das (hoffentlich) nächste Buch der Autorin!




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Daten zum Buch
Titel: Tiroler Totenglocken
Autor*in: Anna Tröber
Sprache: Deutsch
Verlag: Emons
Taschenbuch | 255 Seiten | ISBN: 978-3-7408-1538-7

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