Reihenbesprechung der »Vikki Viktoria«-Reihe von Gloria Grey

»Überhaupt, je mehr ich vom Leben weiß, desto klarer wird mir: heute Schwarzseher, morgen Prophet. Wenn du vom Schlimmsten ausgehst, liegst du meistens richtig.«

Vikki Viktoria ist Anfang ihrer 40er und lebt in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Münchner Innenstadt, Nähe Viktualienmarkt. Die 16-jährige Kathi, ihres Zeichens Influencerin auf dem Vormarsch, die mit ihrer Mutter in der Wohnung unter Vikki wohnt, zählt zu ihren besten Freund*innen. Ebenso Wolf Wolff, ja, er heißt wirklich so. Wolf ist Antiquitätenhändler und Besitzer des vielleicht schönsten Antiquariats überhaupt und Mitglied der »Switch Blades«, einer Motorradgang, die gerne auch mal schön zuschlägt, um Stress abzulassen. Aufgewachsen ist Vikki im Körper eines Jungen im Örtchen Übertreibling im Bayerischen Wald – nicht der beste Ort, um als Transperson zu sich zu finden. Inzwischen ist Vikki aber seit geraumer Zeit voll und ganz Frau und verdient ihren Lebensunterhalt als Künstlerin. Achja, und ab und zu spielt sie der Polizei als V-Frau vielleicht auch die ein oder andere nützliche Info über die Münchner Schattenwelt zu. So weit, so gut. 

Zurück nach Übertreibling 

Wenn das Telefon zu einer derart unverschämten Uhrzeit (vor 12 Uhr mittags) klingelt, kann der Anruf Vikki zufolge nur schlechte Neuigkeiten beinhalten, richtig? Richtig. Der Wolf ist dran und vermeldet, dass der Toni aus dem Gefängnis geflohen ist. Wer ist denn der Toni und was hat er mit der Vikki zu tun? Nun, so einiges: Der Toni stammt wie die Vikki auch aus Übertreibling und die beiden verbindet jetzt nicht gerade eine innige Freundschaft. Soll heißen: Der Toni hat damals seine Frau brutal ermordet, macht die Vikki für seinen Aufenthalt im Gefängnis verantwortlich und bedroht sie seit 13 Jahren aus dem Gefängnis heraus. Wolf und Vikki ist klar: Sie muss sich in Sicherheit bringen. Kurz darauf folgt jedoch ein Anruf vom Achmet, seines Zeichens Clanchef, der ebenfalls von Tonis Ausbruch gehört hat und mit der Vikki drüber reden will. Die Vikki geht hin, der Wolf hält nichts davon, recht hat er. Die Dinge laufen aus dem Ruder und schwupps – die Vikki gerät zwischen die Fronten. Flucht nach Übertreibling heißt es also, eigene Ermittlungen sind angesagt, wenn sie auch in Zukunft wieder ihre gewohnte Ruhe haben will, denn in die Polizei hat Vikki kein Vertrauen. In Übertreibling wird schnell klar: Der Ausbruch vom Toni ist bei Weitem nicht Vikkis größtes Problem ... Tja, die Vergangenheit will halt doch immer ans Licht.

Grüße aus Bad Seltsham

Ein Jahr sind die Vorkommnisse rund um Übertreibling jetzt her, bei der Vikki ist längst wieder Ruhe eingekehrt. Ihre Erlebnisse hat sie mehr oder weniger verarbeitet und ihre Karriere hat eine neue Richtung eingeschlagen: Sie hat jetzt ihre eigene Show bei »Shop til you Drop TV«, der Neuerfindung von Teleshopping, mit Influencer*innen und sonstigen Personen der Öffentlichkeit im Programm. Name von Vikkis Show: »Vikki Viktorias Wham! Bam! GLAM! Mam!« Tja, und genau diese Show ist der Auslöser für einen ganzen Haufen neuer Probleme. Denn: Nicht nur, dass die Vikki in einen WhatsApp-Nachricht-Skandal um ihre Person verwickelt ist, nein. Der Chef des Teleshopping-Kanals Olaf Kreischke (übrigens ebenfalls in den Skandal involviert) wird in seinem Büro ermordet aufgefunden – mit einem Smartphone im Mund. Wenn das mal kein eindeutiges Zeichen ist. Gefunden wird er – wie kann's anders sein, wenn man Pech hat, dann so richtig – von der Vikki. Was jetzt echt schlecht ist für sie, denn die Polizei zählt sie zu den möglichen Tatverdächtigen. Also tut die Vikki, was die Vikki immer macht, wenn sie in einen Mordfall verwickelt ist (kann man von immer sprechen wenn es erst das zweite Mal passiert?) und fängt mit ihren eigenen Ermittlungen an. Auch dieses Mal in tatkräftiger Unterstützung vom Wolf und der Kathi. Schnell stellt sich raus: Die Geschichte ist komplizierter als gedacht, denn plötzlich mischt sich auch der Erwin »Dampfhammer« Faltermeyer ein, Münchens Rotlichtlegende. Kann sie ihre Unschuld beweisen und den/die wahre Täter*in überführen?

Meinung

Habt ihr schonmal einen Krimi gelesen, in dem die ermittelnde Person einen Transgender-Hintergrund hat? Ich bisher auch nicht. Ich muss sagen, ich bin ein heimlicher Fan von Vikki Viktoria geworden. Ihre Person ist super authentisch, zynisch und mit viel Witz und Humor ausgestattet. Der Schreibstil – die beiden Bücher sind komplett aus Sicht von Vikki verfasst – bringt einen zum Schmunzeln, vermittelt super die Eigenheiten Münchens und des Bayerischen Waldes und hat mich an die Eberhofer-Reihe von Rita Falk erinnert, die ja sowieso zu meinen Lieblingsreihen zählt. (Ich hab mich mal daran versucht, die Tonart in der Vorstellung der beiden Bücher aufzugreifen, um euch einen Eindruck davon zu vermitteln). Auch die sonstigen Haupt- und Nebencharaktere sind echt, witzig und einfach auf ihre eigene Art genau richtig bizarr. Wie der Titel von Band eins schon vermuten lässt, sind Personen und Handlung etwas übertrieben dargestellt, was ausgezeichnet funktioniert. Die Kriminalfälle wiederum sind spannend, überraschend und finden sich wunderbar in die restliche Handlung ein. Eigentlich schwer zu sagen, ob im Buch mehr Privatleben oder die Ermittlungen im Vordergrund stehen, denn beide bilden eine Einheit. Man hat den Eindruck ersteres könnte nicht ohne letzteres funktionieren. Ich bin schon gespannt, wie und ob es für Vikki & Co. weitergeht! 




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Daten zu den Büchern 

Titel: Zurück nach Übertreibling
Autor*in: Gloria Grey (und Robin Felder)
Sprache: Deutsch
Verlag: dtv
Paperback | 345 Seiten | ISBN: 978-3-423-22009-5

Titel: Grüße aus Bad Seltsham
Autor*in: Gloria Grey (und Robin Felder)
Sprache: Deutsch
Verlag: dtv
Paperback | 377 Seiten | ISBN: 978-3-423-22019-4

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