Rezension zu »Niedergang« von Roman Graf

Der gebürtige Schweizer und ehemalige Pfandfinder André liebt die Berge. Inzwischen lebt er jedoch seit Jahren in Berlin, landschaftlich nicht zu vergleichen mit seinen geliebten Schweizer Hochalpen. Seine Freundin Luise hingegen kennt die Berge nur von Fotos. André will dies ändern, zu seinen Wurzeln zurückkehren. Im bevorstehenden Wanderurlaub will André Luise seine Welt zeigen und hat zu diesem Zweck tagelange, höchst anstrengende und komplizierte Wanderroute herausgesucht. Um sich darauf vorzubereiten, haben die beiden das Wandern im Berliner Umland trainiert – klar, ist ja quasi dasselbe. Die Wanderkleidung, bei der wir André und Luise begleiten startet schon holprig und schnell wird klar, dass die geplante Wanderung für die bergunerfahrene Luise unausweichlich zu viel ist. Die Diskrepanzen drücken auf die Stimmung des Paares. Am dritten Tag der Wanderung, die für beide aus unterschiedlichen Gründen mehr zur Qual geworden ist – Luise ist erschöpft und André genervt von ihr – kommt Luise an den Punkt, an dem sie weder weitergehen kann noch will. André wiederum hält nichts vom Aufgeben und so treffen beide eine folgenschwere Entscheidung: Während Luise alleine umkehrt, wandert André alleine weiter, denn ein Abbruch käme für ihn dem Versagen gleich. Also macht er sich auf den Weg und bricht einige der wichtigsten Regeln am Berg: nicht alleine und ohne die richtige Ausrüstung und körperlichen Voraussetzungen zu wandern. Denn ob André es wahrhaben möchte oder nicht, auch er ist inzwischen kein erfahrener Bergsteiger mehr. Und so trifft André eine falsche Entscheidung nach der nächsten, bis es tatsächlich zu spät ist zum Umkehren. Was nun?

Sowohl André als auch Luise waren mir von Anfang bis Ende unsympathisch – zugegeben, André deutlich mehr als Luise. Seine Unfähigkeit, nachzugeben. Sein Widerwille, die Situation richtig einzuschätzen. All die falschen Entscheidungen, die sich auftürmen zum Finale. Ihr Unmut, ihr Warten mit der Erkenntnis, dass es nicht mehr weiter geht, als es schon fast zu spät dafür ist. Ihr geteilter Stursinn, der es ihnen anscheinend schier unmöglich machen, auf die Belange des/der jeweils anderen einzugehen. Beide mit schlechten Eigenschaften ausgestattet, die einer derartigen Wanderung zwangsläufig in die Quere kommen. Und trotzdem oder gerade deshalb war ich wie gefangen in diesem Roman über falschen Stolz, Eitelkeit, Selbstüberschätzung und deren Konsequenzen. Ein perfektes Abbild all dessen, was man eben nicht tun sollte, wenn man in den Bergen wandern ist.




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Daten zum Buch 
Titel: Niedergang 
Autor*in: Roman Graf
Sprache: Deutsch
Verlag: Knaus
Hardcover | 208 Seiten | ISBN: 978-3-8135-0566-5

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