Rezension zu »Elternhaus« von Jennifer Mentges

»Tobias Hansen war der Meinung, dass es nur zwei Kategorien von Menschen gab, die guten und die Bösen, und er hatte das nicht ganz unbedeutende Talent, das Eine in sich schlummern zu wissen und es durch das Andere zu kaschieren.«

Tobias Hansen ist Barpianist, lebt in Hamburg und kämpft mit Schlaflosigkeit. Schnell wird klar: Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Er lebt eine scheinbare Familienidylle mit seiner Partnerin Larissa, die er zwar wunderschön und sexuell durchaus anziehend, aber zu anhänglich findet und seinem zweijährigen Sohn Theo, den er nicht wollte, aber liebt. Yvette Winkler ist eine vierfache Mutter, die ein luxuriöses, aber gestresstes Leben in Österreich lebt. Seit langem verheiratet, aber unglücklich und unzufrieden in Ehe und Leben, reif für eine Veränderung. Als ihr Mann ihr verkündet, zurück in ihre Heimat Hamburg zu ziehen, künftig mehr Zeit mit der Familie und weniger auf der Arbeit zu verbringen, scheint auch ihr Glück zurückzukehren. Consuelo Strunz ist eine 42-järhige, alleinstehende Putzkraft. Sie träumt davon, einmal im Leben Liebe zu erfahren und bindet sich aus Mangel an Alternativen emotional an die Familien, für die sie arbeitet. Diese Familien werden zu ihrem Ersatz, in ihrer kleinen Wohnung daheim warten nur 200 Puppen, die einzigen Freund*innen, die sie je hatte. Konrad Karstens, Immobilienmakler am Beginn seiner Karriere, träumt davon, den richtigen Menschen die richtigen Häuser zu vermitteln. Seine Aufgabe: Ein aufgrund seiner unheimlichen Ausstrahlung kaum vermittelbares alten Herrenhaus in der Elbchaussee zu vermitteln. Sein Glück, dass sich Yvette auf den ersten Blick in das Anwesen verliebt und ihren Mann zum Kauf bewegt. Auf Anraten ihrer besten Freundin Melanie stellt sie Consuelo als Haushaltshilfe ein, die sich sofort ihren Platz in der Familie erträumt. Und auch Tobias tritt ins Leben der Winklers, er wird der Klavierlehrer der Kinder und ist somit genau dort, wo er sein will: Im Haus. In Rückblenden erfährt man von der Vergangenheit des Herrenhauses, das in den 1970ern und 80ern einem Hamburger Reeder gehörte, der sich selbst »Der Patriarch« nannte. Als selbsternanntes Familienoberhaupt thront er über Frau und den drei Kindern, misshandelt vor allem den Jüngsten seelisch und körperlich. Eine Aura, für immer mit dem Haus verwachsen.  So entspinnt sich das Unglück aller, die in der Gegenwart in Verbindung zum Herrenhaus stehen ...

Elternhaus ist kein handlungsintensiver Thriller, sondern psychologischer Natur. Ich muss gestehen, mir fehlte es teilweise etwas an Spannung, an Action, die Auflösung ging mir viel zu schnell, nachdem die Grundsteine über weite Teile des Buchs aufgebaut wurden. Überzeugt haben mich die vielen unterschiedlichen Charaktere, alle gut ausgearbeitet und beschrieben, mit ihren eigenen Problemen und Geheimnissen, ihrer Vergangenheit. Consuelo und Tobias, beide auf ihre Art labil, Gegenspielende in ihren eigenen Spielen. Dieser Thriller funktioniert in erster Linie über Geheimnisse und die Last der Vergangenheit, über den Einfluss der Kindheit auf die Psyche eines Menschen. Wie diese eine Person für immer prägen und verderben kann. Wie man am Ende zu dem wird, dass man am meisten hasst und fürchtet. Ein solider Thriller mit Potenzial, bei dem mir das gewisse Etwas am Ende gefehlt hat. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, vielleicht fehlte mir einfach der Nervenkitzel, das ausschlaggebende Spannungsmoment, vielleicht kam das Ende auch einfach zu aprupt und unspektakulär daher. Dennoch war die ein oder andere Wendung dabei, die aus dem Nichts kam. Er war unterhaltsam, aber nicht fesselnd. Also: Falls ihr auf der Suche seid nach einem  Thriller mit interessanten, psychologisch gut ausgearbeiteten Figuren, der euch aber nachts nicht vom Schlafen abhält und euch auch psychisch nicht verfolgt, dann könnte Elternhaus was für euch sein.




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Daten zum Buch
Titel: Elternhaus
Autor*in: Jennifer Mentges
Sprache: Deutsch
Verlag: Fischer Scherz
Paperback | 416 Seiten | ISBN: 978-3-651-02555-4

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