Rezension zu »Der Geruch von Wut« von Gabriele Clima

»Diese Vorstellung hat sich bei mir festgesetzt, auch als ich größer wurde, die Vorstellung, dass die schönen Dinge, die ein Mensch in sich trägt, zu Blumen werden, wenn dieser Mensch nicht mehr ist. Es kam mir vor wie Magie.« 

Der 16-jährige Alex macht gerade eine schwere Zeit durch. Er hat einen schweren Autounfall überlebt, lag mehrere Monate im Koma und versucht, wieder in den Alltag zurückzufinden. Auch seine Mutter wurde schwer verletzt, hat seelische wie physische Narben davon getragen. Sein Vater hat den Unfall nicht überlebt. Schuld gibt Alex Moussa Mbaye, dem farbigen Fahrer des anderen Fahrzeugs. Alex hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihn zu finden, ihn dafür zu bestrafen, dass seine Familie zerstört ist, ihn für jede Narbe zu bestrafen, die er und seine Mutter davongetragen haben, ihn für den Tod seines Vaters bezahlen zu lassen. Doch die Stadt ist groß und er hat keine Anhaltspunkte für seine Suche. Hilfe verspricht er sich von der Gruppe Black Boys, auf die ihn sein Freund Teo bringt, selbst Mitglied der Gruppe. Die Gruppe unter Führung von Ferenc verspricht ihre Hilfe, aber nicht ohne Gegenleistung. So wird Alex selbst Teil der rassistischen Gruppierung, die People of Color hasst und aus Italien vertreiben möchte, und findet sich schnell in einer ausweglosen Situation wieder, denn Alex glaubt nicht wirklich an die rechtspopulistische Ideologie der Gruppe, die nach dem Motto Einmal Mitglied, immer Mitglied funktioniert. Gibt es noch einen Ausweg für Alex?

Was ich erwartet habe und von diesem Buch wollte war eine Geschichte, die weh tut, nachhallt. Und der Anfang von Der Geruch von Wut hat mir auch genau so eine Geschichte versprochen. Eine Geschichte über Schmerz und Wut, über Verlust und Orientierungslosigkeit. Darüber, dass grundloser, fehlgeleiteter, projizierter Hass leider so viel einfacher ist, als sich seinen eigenen Dämonen zu stellen. Leider ist sie ausgeblieben. Mir fehlte Tiefgang und – ich weiß, Ironie wegen des Titels – mir fehlte Wut. Die Handlung war zu seicht, zu oberflächlich, nicht schockierend. Das Ende kam zu schnell, zu leicht, zu simpel. In einem Buch über einen Jugendlichen, der ungewollt in die rechte Szene abrutscht, erwarte ich mehr als einen halbherzigen Schlag mit dem Schlagstock und einem Gesinnungswandel nach wenigen Tagen, vor allem nach dem Auftakt des Buchs. Ja, ich weiß, Der Geruch von Wut ist ein Jugendbuch, aber das ist nur bedingt eine Entschuldigung. Klar erwarte ich keine Gewaltexzesse, aber ich erwarte mehr als das. Schön fand ich allerdings die Beziehung von Alex zu seiner Mutter, die ganz klar die Heldin der Geschichte ist. Auch sein Versuch der unbewussten Trauerbewältigung war interessant, aber mir persönlich auch hier wieder nicht tiefgreifend genug. Ich habe in meiner Jugend und auch in den letzten Jahren immer wieder Jugendromane gelesen, die mich wirklich tief berührt haben, die mich zum Lachen, Verzweifeln, Weinen gebracht haben. Ich wollte, dass dieses Buchs auch so eins ist. Das Potenzial war wirklich da, leider blieb es dahinter zurück. Alex ist am Ende einfach ein verlorener Jugendlicher, beeinflussbar, verletzt und verletzlich – man hätte so viel mehr rausholen können aus seinem Charakter!

Ich denke, dieses Buch ist etwas für alle, die nur einen kurzen literarischen Abstecher in diese fehlgeleitete Welt machen wollen, ohne dass ein Nachhall bleibt. Für alle, die nichts fühlen wollen, sondern unterhalten. Für alle, die es lieber seicht und leicht mögen, vielleicht als Einstieg ins Thema? Als Jugendliche hätte mich die Geschichte nicht zufrieden gestellt, aber ich war auch schon immer für die direkte, brutale Variante derartiger Thematiken, es soll schließlich weh tun und wachrütteln. Hier möchte ich noch sagen, dass mich die ein oder andere Darstellungsweise im Buch gestört hat. So schaute Alex zum Beispiel »in sein Gesicht. In sein schwarzes Gesicht.« Für jemanden, der von sich sagt, kein Rassist zu sein, hat er farbige Menschen doch immer auf genau das reduziert. Dies lässt sich ebenso in Bezug auf männliche/weibliche Stereotype festhalten. Nur meine persönliche Meinung, aber ich habe was gegen eine derart simple, verallgemeinernde und stereotype Betrachtung von Menschen. Wie ihr seht: Ich bin etwas hin- und hergerissen was dieses Buch angeht.




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Daten zum Buch
Titel: Der Geruch von Wut (Altersempfehlung ab 14)
Autor*in: Gabriele Clima
Sprache: Deutsch
Aus dem Italienischen übersetzt von Barbara Neeb und Katharina Schmidt
Verlag: Hanser
Paperback | 192 Seiten | ISBN: 978-3-446-27433-8

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