Rezension zu »Poison Artist« von Jonathan Moore

Der weltberühmte Toxikologe und Schmerzforscher Caleb Maddox ist frisch von seiner Exfreundin Bridget getrennt. Im Streit warf sie ein Glas nach ihm und verletzte ihn an der Stirn. Um den körperlichen wie seelischen Schmerz zu betäuben führt ihn sein zielloser Weg in eine Bar, in der er noch nie zuvor gewesen ist. Dort fällt ihm eine schwarzhaarige Schönheit ins Auge. Sie scheint wie aus der Zeit gefallen, einem Film Noir der 1940er entsprungen: Sie trägt ein schwarzes, rückenloses Kleid und Perlenkette, trinkt Absinth und strahlt eine Aura des Geheimnisvollen aus. Vom ersten Moment wird Caleb in ihren Bann gezogen, vergessen sind Bridget und all seine Sorgen. Er tut alles, um sie wiederzusehen, ihr näher zu kommen und wähnt sich am Ziel seiner Träume, als Emmeline den Kontakt herstellt. Doch auch das reale Leben holt Caleb immer wieder ein. Sein bester Freund und Pathologe Henry wendet sich hilfesuchend an ihn, denn in der Bay Area von San Francisco tauchen in regelmäßigen Abständen neue Leichen auf. Männer aus guten Verhältnissen, die zuletzt in dubiosen Bars gesehen und unter den grauenvollsten Schmerzen ermordet wurden. Und so taucht Caleb ein in einen Strudel aus Tag und Nacht, Leid und Lust, Täuschung und Sehnsucht. Doch um welchen Preis?

Nicht zuletzt wegen des Stephen King-Zitats auf dem Cover habe ich einige Erwartungen an diesen Thriller gesetzt, auch die Story klang vielversprechend und neu. Leider konnte das Buch meine Erwartungen nicht so erfüllen wie erhofft. Immer und immer wieder, in einem gefühlt endlosen Kreis wird auf Calebs Schicksal in der Vergangenheit hingewiesen. Sei es der anonyme Vorfall in Calebs Schulzeit, den Henry immer fast aber dann doch nicht zur Sprache bringt oder der Auslöser für den Streit mit Bridget, über den jede*r und niemand reden will und es dann doch bei Andeutungen belässt. Zu Beginn trug es zum Spannungsaufbau bei, irgendwann nervte es mich hauptsächlich. »Sprich oder scheiß Buchstaben«, wie mein Papa immer so schön zu sagen pflegt. Gleichzeitig stürzte Caleb immer tiefer in einen Abgrund aus körperlichem Schmerz, seelischer Überbelastung und fehlendem Schlaf. Klar, dass sich die Gedanken ab einem gewissen Punkt nur noch im Kreis drehen können. Trotzdem bei einem Buch, das ein Thriller sein soll, irgendwann lästig. »Ist das alles überhaupt relevant?« fragte ich mich nicht selten und hielt nur durch, weil ich einfach wollte, dass sich das Lesen am Ende doch lohnt. Und hier kommt jetzt das Ärgerlichste überhaupt: Ab Seite 250 (knappe 100 Seiten vor Ende des Buchs) wurde dieses Buch noch so richtig gut. Spannend, interessant, unerwartet, atemlos. Ich konnte es am Ende tatsächlich kaum mehr aus der Hand legen, so sehr nahm die Handlung plötzlich an Fahrt auf. Und warum ärgert mich das so? Weil mir das zeigt, welche Qualität der gesamte Thriller hätte haben können. Daher mein Rat an euch, sollte das Buch seinen Weg in eure Hände finden oder bereits gefunden haben: Haltet durch, das Ende macht viel (leider nicht alles) wieder wett, es dauert nur noch etwas. Aber wer weiß? Am Ende ist ein Buch ja immer eine subjektive Erfahrung und vielleicht trifft es den Geschmack von anderen auch besser als meinen. 




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Daten zum Buch
Titel: Poison Artist
Autor*in: Jonathan Moore
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Stefan Lux
Verlag: Suhrkamp
Klappenbroschur | 349 Seiten | ISBN: 978-3-518-47264-4

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