Rezension zu »Der zweite Sohn« von Loraine Peck

»Wir alle sind in mehr oder weniger großem Umfang das Produkt unserer Vergangenheit. Aber wir können Entscheidungen für unsere Zukunft treffen.«

Johnny Novak ist 39, kroatischer Abstammung und seit 12 Jahren mit Amy verheiratet. Zusammen mit ihrem 10-jährigen Sohn Sasha leben sie in einem Haus in Sydney, Australien. Auf den ersten Blick sind die Drei eine ganz normale Familie. Aber auf den zweiten Blick offenbart sich das kriminelle Leben der Familie Novak. Denn als Johnnys älterer Bruder und vorgesehener Nachfolger als Oberhaupt des Familiengeschäfts erschossen wird, gerät Johnnys halbwegs geordnetes Leben aus den Fugen. Johnnys Vater, Milan, der Chef der Bande, vermutet, dass die Serben seinen Sohn als Rache dafür getötet hat, denn vor Kurzem wurde ebenfalls der älteste Sohn des serbischen Bandenchefs ermordet. Johnnys Familie, und vor allem sein Vater, erwarten von ihm, dass er den Serben umbringt, der seinen Bruder auf dem Gewissen hat, um seinen Tod zu rächen und dessen Position im Familiengeschäft zu übernehmen. Doch Johnny will nicht wahllos töten, sondern erst herausfinden, wer tatsächlich für den Mord an seinem Bruder verantwortlich ist. Amy ist von all dem ganz und gar nicht begeistert. Zwar weiß sie vom kriminellen Hintergrund der Familie Novak, bisher hielt Johnnys Beteiligung sich aber in Grenzen. Als sie Sache langsam zu eskalieren droht, packt Amy Sasha kurzerhand und zieht zu ihren Eltern. Auf Johnny wartet ein Ultimatum: Die Liebe zu Frau und Kind oder die Verpflichtung und Loyalität gegenüber seines Vaters, seines Klans.

Zu aller erst: Ich weiß nicht genau, ob ich Der zweite Sohn als Thriller bezeichnet hätte. Denn dafür fehlte mir die Thriller-typische Spannung, das Unvorhersehbare, das Überraschende. Abgesehen davon war es eine flüssige und schnell vorangehende Geschichte mit den ein oder anderem Spannungselementen. Die großen Themen des Buchs waren definitiv Bandengewalt und Völkerhass. Jahrzehntelanger Hass auf eine gesamte Bevölkerungsschicht wegen eines früheren Krieges. Die Narben, die die Betroffenen davon tragen, behalten, immer wieder aufgerissen werden. Schmerz, der immer neuen Schmerz hervorruft, bis jemand den Kreis durchbricht. Johnny versucht, diesen Kreis zu durchbrechen, nachzudenken bevor er handelt. Doch schafft er das oder steht ihm der generationsübergreifende Familienschmerz im Weg? Welchen Stellenwert hat Familie? Was darf Familie von einem verlangen? Was überwiegt, die Familie, für die man sich entschieden hat, oder die Familie, in die man hineingeboren wurde? Aber auch die Misogynie, die selbst jemand wie Johnny in sich trägt, wird am Beispiel von Amy und anderen Frauen des Klans angesprochen. Wie sie sich fügen müssen, nur die nötigsten Informationen erhalten, den Raum verlassen müssen, wenn die Männer reden. Wie Amy aktiv versucht zu verhindern, dass Sasha dieses Verhaltensmuster übernimmt. Für mich wie gesagt nicht unbedingt ein Thriller, aber ein gut zu lesender Banden-Krimi mit relevantem Hintergrund.




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Daten zum Buch
Titel: Der zweite Sohn
Autor*in: Loraine Peck
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Stefan Lux
Verlag: Suhrkamp
Paperback | 423 Seiten | ISBN: 978-3-518-47229-3

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