Rezension zu »Der Heimweg« von Sebastian Fitzek

Berlin, den 29.11., Freitagnacht. Draußen tobt ein Schneesturm. Und Jules Tannberg übernimmt spontan für seinen besten Freund die Nachtschicht am Begleittelefon. Das Begleittelefon ist eine Hotline, unter der Frauen auf ihrem Heimweg anrufen können, falls sie sich fürchten oder um nicht allein zu sein. Aufgrund seines früheren Jobs in der Notrufzentrale sollte dies kein Problem für Jules sein. Doch dann ruft Klara an. Klara, die das Begleittelefon schon auf der Kurzwahltaste hat, weil sie von ihrem Ehemann seit Jahren psychisch und physisch misshandelt wird und gar nicht mehr weiß, wann sie das letzte Mal keine Angst hatte. Klara, die die Nummer aus Versehen gewählt hat und Jules gesteht, dass sie panische Angst hat, von einem Mann verfolgt zu werden, der ihr angedroht hat, sie am 30.11. zu töten. Klara bleiben nur noch wenige Stunden. Jules will sie in der Leitung behalten, selbst dann, als Klara ihm verkündet, der Mann werde auch ihn umbringen, sollte er von ihrem Telefonat erfahren. Denn Jules selbst kämpft mit den Dämonen seiner Vergangenheit. Und so begleitet Jules Klara auf ihrem Heimweg, wohin auch immer dieser führen wird. 

Als ich das Buch beendet hatte, hatte ich einen Gedanken: Wie viel Pech kann ein Mensch in einer einzelnen Nacht haben, wie viel Schmerz kann er ertragen? Der Psychothriller beginnt mit einer Triggerwarnung zu häuslicher Gewalt. Ich war bestürzt welche Ausmaße diese in dem Buch annimmt. Ich war sprachlos, angewidert und manchmal den Tränen nahe bei der Beschreibung der seelischen und körperlichen Gewalt, die anhand von Klaras Schicksal in dem Buch geschildert wurde. Fitzek schafft es auch in Der Heimweg eine Geschichte zu erzählen, die bewegt, verstört und weh tut. Mit Plottwists, die ich im Leben nicht geahnt hätte. An manchen Stellen dachte ich, ich verstehe es jetzt. Nur um drei Seiten weiter festzustellen, dass ich rein gar nichts verstehe. Ich habe die 400 Seiten wieder in Kürze gelesen, konnte einfach nicht mehr aufhören, als ich angefangen hatte. Wurde reingesogen in den Strudel aus Perversion. Die ursprünglich selbstbewusste und starke Klara, die von ihrem sadistischen und ekelerregend grausamen Mann kontinuierlich und zielgerichtet gebrochen wurde. Ein Kette von Missbrauchserlebnissen, die eine Flucht für sie unmöglich machen. Mir hat dieses Buch vor allem gezeigt, dass »einfach wegzugehen« eben nicht so einfach ist, wie man immer denkt, wenn man ähnliche Erfahrung (zum Glück!) nicht gemacht hat. Vielleicht war die Storyline teilweise unrealistisch die mit häuslicher Gewalt ein sehr ernstes und weitverbreitetes Thema gewaltsam zur Sprache bringt. Aber natürlich ist die Überspitzung am Ende auch ein bedacht gewähltes, gestalterisches Element. Das einzig etwas Enttäuschende für mich war das plötzliche Ende nach so viel Spannungsaufbau. Was sich fast über das gesamte Buch hinweg aufgebaut hatte, klärte sich in gefühlt 30 Seiten zu schnell auf, zu einfach, zu gut. Bin gespannt aufs nächste Fitzek-Buch!




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Daten zum Buch
Titel: Der Heimweg
Autor*in: Sebastian Fitzek
Sprache: Deutsch
Verlag: Knaur
Taschenbuch | 400 Seiten | ISBN: 978-3-426-51946-2

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