Rezension zu »Das Haus der Verlassenen« von Emily Gunnis

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1956 wird Ivy Jenkins unverheiratet schwanger. Von ihrem Onkel vor die Tür gesetzt wird sie ins Mutter-Kind-Heim St. Margaret's geschickt. Eine katholische Institution in England, die Frauen wie Ivy aufnimmt, sie zur Bereinigung ihrer begangenen Sünden hart schuften lässt und die Frauen nach der Geburt zwingt, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. 1959 ist Ivy noch immer im Kloster. Man hat Ivy ihre Tochter Rose weggenommen. Vergebens waren all die flehentlichen Briefe, die Ivy an ihre große Liebe und den Vater ihres Kindes geschrieben hat. Inzwischen ist 8-jährige Elvira Cannon, auch eine Bewohnerin des Klosters, wie eine Ziehtochter für Ivy. Ivy wünscht sich ein besseres Leben für Elvira, eines außerhalb der Klostermauern. Also verhilft sie ihr zur Flucht, egal welchen Preis sie selbst dafür bezahlen muss. 

2017 arbeitet die 25-jährige Sam, Journalistin und Mutter einer 4-jährigen Tochter, gerade an einem ganz anderen Fall, als sie bei ihrer Großmutter zufällig über die Brief von Ivy findet. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, führten Sams Großeltern doch ein Antiquariat, wodurch viele persönliche Gegenstände anderer Leute in ihren Besitz übergingen. Doch die Briefe von Ivy berühren Sam in ihrem Innersten, sie spürt den Drang, mehr über Ivys und das Schicksal der anderen Frauen im Kloster herauszufinden. Doch ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, denn in wenigen Tagen soll das Kloster abgerissen und damit auch der Zugang zu Informationen für immer ausgelöscht werden. Erschwert wird Sams Suche auch dadurch, dass alle, die mit dem Kloster und Ivy in Verbindung standen, unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen sind. Gleichzeitig fiebert die erfolgreiche Talkshow-Moderatorin Kitty Cannon genau auf diesen Tag hin, um endlich mit der Vergangenheit abschließen zu können.

Und so erzählt der Roman in verschiedenen Zeiten die Geschichte all dieser Frauen und Mädchen, die am Ende eine ganze ergeben: Sam, Kitty, Ivy, Elvira; alle durch verschiedene Umstände Betroffene der Geschehnisse im Mutter-Kind-Heim. Ich habe dieses Buch in einem Gewinnspiel gewonnen und bin wirklich froh darüber. Zwar ist die Geschichte, die in Das Haus der Verlassenen erzählt wird, fiktiv, allerdings beruht die Geschichte auf tatsächlichen Einrichtungen wie das fiktive St. Margaret's, die vor allem in Schottland, aber auch in England, bis in die 1970er betrieben wurden und unverheiratete, schwangere Frauen für ihre Fehltritte mit körperlicher, harter Arbeit und einer erzwungenen Adoption ihrer Kinder bestraften. Eine furchtbare Geschichte. Beim Lesen musste ich mich manchmal daran erinnern, dass die Geschehnisse sich Mitte des 20. Jahrhunderts zugetragen haben, es wirkte so grausam, als müsste es weiter zurückliegen als knappe 70 Jahre. Mich hat die Geschichte wirklich berührt. Ich war geschockt und wütend auf die Pater und Nonnen, die in diesen Einrichtungen mit eiskalter Hand ohne jegliches Mitgefühl regierten und einen krassen Widerspruch von propagierter christlicher Nächstenliebe und tatsächlicher Grausamkeit an den Tag legten. Statt Hilfe erwartete die Mädchen, Frauen und Kinder, die keine Eltern fanden, nichts außer Profitgier, Sklaverei und Schmerz. Kein Wunder also, dass Sam von Ivys Briefen so mitgenommen wurde und Kitty mit der Vergangenheit ihrer Familie endlich abschließen möchte. Die Narben, die diese Einrichtungen in den Seelen der Betroffenen hinterlassen haben, kann ich mir kaum vorstellen. 



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Daten zum Buch
Titel: Das Haus der Verlassenen
Autor*in: Emily Gunnis
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Carola Fischer
Verlag: Heyne
Hardcover | 400 Seiten | ISBN: 978-3-453-27212-5

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