Rezension zu »Late Show« von Michael Connelly

Renée Ballard liebt ihre Arbeit als LAPD-Detective. Deswegen schmerzt es sie nach wie vor, dass sie vor kurzer Zeit auf Grund einer von ihr eingereichten und abgelehnten Klage wegen sexueller Belästigung gegen ihren ehemaligen Lieutenant in die Nachtschicht (»Late Show«) zwangsversetzt wurde. Dort gehört es zu ihrer Aufgabe, Fälle, die nachts gemeldet werden und die Anwesenheit eines Detectives erfordern, aufzunehmen, zu protokollieren und nach Schichtende an die ermittelnde Tagschicht abzugeben. Da Renée nicht nur sehr ehrgeizig ist, sondern vor allem auch ein ausgeprägtes Verlangen nach Gerechtigkeit in sich trägt, hat sie sehr damit zu kämpfen, die Fälle, die sie aufnimmt, nicht mehr zu Ende bringen zu können. Eines Nachts werden sie und ihr Partner an einen Tatort gerufen: Eine Frau wurde aufs Übelste zugerichtet und so gut wie tot auf einem Parkplatz zurückgelassen. Kurz darauf müssen die beiden zum nächsten Tatort: In einem Club hat ein bewaffneter Täter fünf Menschen erschossen. Beide Fälle lassen Renée nicht mehr los und sie beginnt mit ihren eigenen Ermittlungen. Teils legitim, teils unter der Hand. Nicht nur nachts, sondern auch während ihrer Freizeit. Egal, ob ihr Privatleben oder der eigentlich dringend benötigte Schlaf darunter leiden. 

Faszinierend fand ich, dass in Late Show nicht nur ein zentraler Fall thematisiert wurde, sondern zwei getrennte Ermittlungen, bei denen ich mich ständig gefragt habe, ob sie am Ende nicht doch zusammenhängen. Auch habe ich selten so gut recherchierte und detaillierte Ausführungen zur Polizeiarbeit gelesen. Eventuell waren mir hier die Ausführungen zur Behördenhierarchie, Abteilungsabkürzungen und ihre Bedeutungen hin und wieder etwas zu viel und beim Lesefluss störend, was aber im Großen und Ganzen nicht schlimm war. Interessant fand ich aber vor allem die in Polizei-Krimis sonst eher untypische Kritik am Polizeiapparat: In Late Show hingegen wurden die der Polizei als Institution innewohnenden, systemischen Probleme wie sexuelle Belästigung von Polizistinnen, Antiquiertheit im Umgang mit der queeren Bevölkerung sowie Korruption nicht nur angesprochen, sondern auch zentrale Themen des Buchs. Ich hatte relativ hohe Erwartungen an Late Show, weil alle in der Buchhandlung Fans von Michael Connelly sind. Zu Beginn war ich mir nicht ganz sicher, ob ich mich der Begeisterung anschließen kann, denn die Handlung war irgendwie schleppend und ich habe auch nur sehr schleppend in die Geschichte und die Charaktere hinein gefunden. Nach den ersten 50 Seiten nahm die Handlung aber an Fahrt auf, die Geschichte wurde interessanter (kurzzeitig sogar spannend) und die Geschichte konnte mich überzeugen. Definitiv nicht mein letztes Buch von Michael Connelly.




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Daten zum Buch
Titel: Late Show
Autor*in: Michael Connelly
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Sepp Leeb
Verlag: Kampa
Taschenbuch | 428 Seiten | ISBN: 978-3-311-15507-2

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