Rezension zu »Tick Tack« von Julia von Lucadou

Almette (Mette) Odenthal ist 15 Jahre alt und hat vor kurzem versucht, sich das Leben zu nehmen. Jetzt ist sie auf Wunsch ihrer besorgten Eltern in Therapie. Für sie da ist ihre beste Freundin Yağmur, die sich aber zunehmend von Mette distanziert und der neuen Mitschülerin Sve zuwendet. Gleichzeitig sind die anderen Mitschüler*innen neugierig und wollen ständig mehr über den Suizidversuch heraus finden. Ansonsten ist Mettes Leben ganz normal, typisch jugendlich: Ihre Freizeit verbringt sie mit ihrer besten Freundin, ist viel auf Instagram und TikTok unterwegs und hasst kategorisch alles, was von ihren Eltern kommt. 

Jo ist Mitte 20 und wieder zuhause bei seiner Mutter und seinen Halbgeschwistern eingezogen nach einem Vorfall an der Uni, der im Dunkeln gelassen wird. Er verbringt seine Zeit zurückgezogen in seinem Zimmer, vor seinem PC, ganz dem Stereotyp des nerdigen Computerfreaks entsprechend. In anonymen Posts berichtet er vom Hass auf seine Mutter und Frauen im Allgemeinen (ganz im Sinne von: »sie wollen nicht mir schlafen, also sind sie alle zusammen scheiße«) und will sich feiern lassen für sein Troll-Verhalten. 

Als Mette Jos Schwester Mia besucht, die als der Inbegriff einer dummen Instagram-Barbie dargestellt wird, wird Jo auf sie aufmerksam und beschließt, Mette zu seinem Projekt zu machen, denn Mette könne eventuell noch gerettet werden. Vor der Verdummung der Welt, die sich langsam aber sicher ausbreitet. Jo nutzt Mette, um zu zeigen, was falsch läuft in der Gesellschaft, will Mitläufer und falsche Moral aufdecken und die oberflächliche Social-Media-Kultur zerstören, die sich durch die Welt gefressen hat. Durch Mette will er der Welt die Augen öffnen. Via TikTok und Instagram.

Tick Tack spielt in der realen Zeit in Köln, inklusive Corona-Pandemie und allem, was dazu gehört. Ich musste bei Mettes Kapiteln wirklich oft schmunzeln. Sie ist eine wahnsinnig kluge Protagonistin voller wunderbarem Zynismus, echt. Ich konnte die jugendliche Wut und den Hass auf quasi alles, an den ich mich immer noch gut erinnern kann, förmlich spüren in den Zeiten. Digitale und analoge Welt sind in diesem Buch verschwommen, wurden eins. Vielleicht nicht einfach zu lesen, wenn man sich nicht auskennt mit der Social-Media-Sprache und ständig Wörter nachschlagen muss. 

Was dann passiert ist, hab ich nicht kommen sehen. Fesselnd, furchtbar, unerwartet. Ich will nicht zu viel vorweg nehmen, aber: Ich fand es unfassbar erschreckend, wie einfach es war, eine derart kluge junge Frau wie Mette zu manipulieren, zu radikalisieren. Wie kann ein Mensch jemand anderen so verachten und zu eigenen Zwecken ausnutzen? Wie kann sich ein kluger, aufgeweckter Mensch so einfach jemand anderem unterwerfen?




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Daten zum Buch
Titel: Tick Tack
Autor*in: Julia von Lucadou
Sprache: Deutsch
Verlag: Hanser
Hardcover | 254 Seiten | ISBN: 978-3-446-27234-7

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