Rezension zu »Der Fluss ist eine Wunde voller Fische« von Lorena Salazar

Eine junge Frau ist mit ihrem Sohn auf dem Weg von Quibdó nach Bellavista, zwei Orte in Kolumbien, die sich entlang des Atrato, Kolumbiens größtem Fluss, befinden. Sie reisen via Boot auf dem Fluss entlang, machen Halt an verschiedenen Orten, kleineren wie größeren. Sie ist weiß, er farbig. Beide bleiben namenlos. Sie ist seine Mutter, er jedoch nicht ihr leiblicher Sohn. Sie unternehmen die tagelange Reise, weil die leibliche Mutter sich gemeldet hat und ihren Sohn sehen will. Die junge Frau weiß nicht, warum. Will sie ihn nur sehen oder doch wieder zurück? Auf der Reise wird sie zurückgeholt in ihre Vergangenheit, durchlebt den latenten Rassismus, den sie aufgrund ihrer hellen Haut in ihrer Kindheit in Kolumbien erfahren musste. Je näher sie ihrem Ziel kommen, desto unruhiger wird sie, hat Angst, ihren Sohn zu verlieren. Kämpft damit, was Mutterschaft bedeutet. Wann wird eine Frau zur Mutter? Reicht es, das Kind groß zu ziehen, es zu lieben, sich zu kümmern? Oder ist die Schwangerschaft, das Austragen des Kindes am Ende doch das Ausschlaggebende? Was wird passieren, wenn sie in Bellavista eintreffen, die leibliche Mutter ihren Sohn sieht? 

Mit seinen 176 Seiten ist der Roman relativ kurz, aber wortgewaltig. Liefert gleichzeitig eine wunderschöne Landschaftsbeschreibung des Flusses und Kolumbiens und gibt Einblick in die Lebensweisen, Denkweisen, aber auch die Armut und Probleme der Dörfer im kolumbianischen Dschungel, die die Frau und ihr Sohn auf ihrer Reise passieren. Allen Orten gleich: Sie sind der Naturgewalt des Flusses schonungslos ausgeliefert. Ein Hochwasser könnte alles jederzeit wegspülen. Gleichzeitig sind sie angewiesen auf den Fluss als Nahrungsquelle und als Fortbewegungsmittel. Aber dieses Buch ist noch mehr als das. Es ist ein Buch über das Muttersein, den Zusammenhalt von Frauen und dem Krieg, der Kolumbien zerrüttet. Ich fühlte mit der jungen Frau. Verstand ihre Angst, ihren Sohn an die leibliche Mutter zu verlieren. Wünschte mir für sie, sie dürfe ihn behalten. Denn trotz ihrer Selbstzweifel ist sie schließlich seine Mutter. Das Ende des Buchs kam unerwartet, plötzlich, aus dem Nichts. Traf mich vollkommen unvorbereitet. Lasst euch nicht vom wunderschönen Cover täuschen: Dieses Buch hat Tiefgang, geht unter die Haut, tut weh. 




..................................................................

Daten zum Buch
Titel: Der Fluss ist eine Wunde voller Fische
Autor*in: Lorena Salazar
Sprache: Deutsch
Aus dem Spanischen übersetzt von Grit Weirauch
Verlag: Blumenbar
Hardcover | 176 Seiten | ISBN: 978-3-351-05104-4

Kommentare